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Wie im Rausch: Ein Bild aus Erik Drookers Adaption von „Howl“.

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Kunst-Comic: Propheten, Visionäre, Flüchtlinge

US-Zeichner Eric Drooker hat das Werk des Beat-Poeten Allen Ginsberg in zwei Büchern visuell umgesetzt - empfehlenswert ist davon aber nur eines, findet die Zeichnerin Elke R. Steiner.

In diesem Jahr feierte ein Kinofilm den amerikanischen Dichter Allen Ginsberg und sein bekanntes Gedicht von 1955: „Howl“, das Geheul. Teile des Films sind Animationen nach Zeichnungen von Eric Drooker. Dazu erschien ein dickes Buch in Animations-Optik. Weiß stehen die altmodisch getippten Verse auf glatt gemorphten Szenen, die matschig wirken durch endlose Farbverläufe. Die schrecklichen Szenen in der psychiatrischen Klinik Rockland entfalten trotzdem ein Eigenleben. In Film und Buch habe ich die wunderbar kratzig-rohe Qualität vermisst, die ansonsten Drookers Comics auszeichnet.

Als großer Fan seiner Kunst empfehle ich statt dieses Buches den vor 15 Jahren erschienenen visuellen Urtext: „Illuminated Poems“, 144  Seiten Gedichte von Ginsberg und Bilder von Drooker: Comics in Schabkarton, Illustrationen, Drucke und Malerei. „Howl“ in voller Länge und 34 weitere Gedichte in englischer Sprache, zum Teil vertont samt Noten.

Drooker und Ginsberg kannten sich. Ihre Worte und Bilder klingen hier wie ein Akkord. Weiß auf schwarz, schwarz auf weiß und in Farbe stehen sie selbstbewusst nebeneinander, laden sich gegenseitig auf. Egal, wo ich das Buch aufschlage, es lässt mich niemals kalt.

Alte, Bettler, verjagte Musiker

Die enthaltenen Comics erzählen kurze, wortlose Geschichten. Der einsame Tagesablauf einer alten Frau. Ein Bettler, der übersehen wird und schließlich völlig verschwindet. Ein Saxophonist, der von einem Polizisten von seiner Straßenecke verjagt wird und danach umso leidenschaftlicher spielt.

Ginsberg starb 1997, ein Jahr nach Erscheinen der „Illuminated Poems“. In seiner Einführung erzählt er, wie er Drookers Werk zuerst begegnete: auf Plakaten an Bauzäunen, an  Laternenpfählen auf New Yorks Lower East Side. Ihr holzschnittartiger Stil und ihre dringlichen politischen  Anliegen erinnerten ihn an seine Kindheit während der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Auch Drooker erwähnt seine Kindheit: 1967 machte seine Mutter den Achtjährigen in einem New Yorker Bus auf den berühmten Dichter aufmerksam, der gerade zustieg.

Die Rückseite von „Illuminated Poems“ zeigt den alten und den jungen  Mann zusammen auf einem Foto. Sie widmeten den Band den Propheten, Visionären und Flüchtlingen des 21. Jahrhunderts. Wer sich von den Animationen im Film „Howl“ angesprochen oder  abgestoßen gefühlt hat, möge dieses Buch aufschlagen!

Doppelte Erleuchtung: Die Titelbilder der beiden erwähnten Bücher.

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Allen Ginsberg, Eric Drooker: Illuminated Poems, 144 Seiten, Four Walls Eight Windows (Hardcover) bzw. Thundeŕs Mouth Press (Softcover), ca. 12-24 Euro.
Howl“- A Graphic Novel, 224 Seiten, Harper Perennial, ca 12 Euro
Die Website von Eric Drooker findet sich hier: www.drooker.com.

Unsere Gastautorin, die Comiczeichnerin Elke R. Steiner, lebt in Berlin. Vor kurzem erschien von ihr das Buch „Risiken und Nebenwirkungen“ (Gütersloher Verlagshaus, 80 Seiten, 14,99 Euro) zum Thema Medikamentenmissbrauch. Außerdem hat sie unter anderem die Familiengeschichte „Die anderen Mendelssohns“ (Reprodukt) sowie die Kinderbücher „Bella´s Brazilian Football“ und „Bella´s Chocolate Surprise“ (Milet Publishing) gezeichnet. Ihre Website: www.steinercomix.de. Weitere Comic-Empfehlungen von ihr unter diesem Link.

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