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© Thilo Rückeis

Service: Berliner Comicläden: Wo die bunten Kerle wohnen

Für jeden die richtige Sparte: Berlins Comicläden sind so vielfältig wie die Interessen ihrer Betreiber und ihrer Kundschaft. Seit hier das erste Fachgeschäft Deutschlands eröffnete, hat sich einiges geändert. Nach den Sammlern kommen jetzt die Leser.

Vielleicht sieht es so im Comic-Himmel aus: In der Luft schwebt die rot-weiße Rakete, mit der Tim und Struppi zum Mond flogen. Es gibt ein Ebenbild von Fone Bone, der Hauptfigur aus dem „Bone“- Epos, das bei Comiclesern einen Status hat wie „Der Herr der Ringe“ bei Lesern unbebilderter Literatur. Daneben hängen und stehen weitere Ikonen: Spider-Man, Charlie Brown oder Didi und Stulle, die aus den „Zitty“-Comics bekannten Figuren des Berliner Zeichners Fil. In einem Bilderrahmen entdeckt man gar ein von Disney-Meisterzeichner Carl Barks höchstpersönlich signiertes Bild Donald Ducks und seiner Verwandtschaft.

Wer den Kreuzberger Comicladen „Modern Graphics“ betritt, merkt sofort, dass es um eine Leidenschaft geht, die Betreiber und Kunden teilen. Buchläden sehen anders aus, sachlicher, funktionaler. Dabei haben sich manche von Berlins Comicläden in den letzten Jahren von Insider-Treffpunkten zu Anlaufstellen für ein breiteres Publikum entwickelt, wie Micha Wießler sagt, Chef und vor 17 Jahren Gründer von „Modern Graphics“.

Von "Persepolis" bis "Berlin" - anspruchsvolle Comics sind im Kommen

Während sich bei ihm und dem Dutzend anderer Berliner Comicläden in früheren Jahren meist männliche Vollblutfans einfanden, um ihre Sammlung von Superhelden-Heftchen oder Klassikern der europäischen „Ligne Claire“ zu vervollständigen, schauen seit einiger Zeit ganz andere Kunden vorbei: Leser – und Leserinnen – anspruchsvoller grafischer Literatur und kunstvoller Bildgeschichten, die mit dem Etikett „Comic“ unzureichend beschrieben sind. „Persepolis“ zum Beispiel, die kürzlich verfilmte Autobiographie der Franko-Iranerin Marjane Satrapi. Oder ernsthafte Auseinandersetzungen mit Politik und Geschichte, wie Art Spiegelmans „Maus“ und Jason Lutes’ „Berlin“. Oder sensible Charakterstudien wie Manu Larcenets Erzählung „Der alltägliche Kampf“.

Die Entwicklung freut Comic-Händler wie den 44-jährigen Micha Wießler, der schon als BWL-Student ein Faible für anspruchsvolle Geschichten amerikanischer Independent-Zeichner und frankobelgischer Meister hatte. „Mein Job wird immer mehr eine Buchhändlertätigkeit.“

In der "Romanboutique" fing alles an

Einen anderen Weg hat Peter Skodzik eingeschlagen. Als der Pionier der deutschen Comicladen-Bewegung 1970 seine „Romanboutique“ eröffnete, war die Idee eines Comicfachgeschäfts neu, das Genre kaum differenziert. Schnell scharte sich um Skodzik, der nach mehreren Umzügen heute seinen Laden gegenüber dem Rathaus Schöneberg hat, eine wachsende Fan-Szene, für die der von ihm herausgegebene Comic-Preiskatalog und die von ihm mitgegründete und bis heute aktive Interessengemeinschaft Comic Strip zu Institutionen wurden.

Neben einzelnen Neuerscheinungen findet man bei Skodzik vor allem deutsche Klassiker früherer Jahrzehnte, Abenteuergeschichten wie „Sigurd“ oder „Akim“ aus der Feder des erst von Skodzik richtig bekannt gemachten Zeichners Hansrudi Wäscher. Die Entwicklung hin zu anspruchsvollerer grafischer Literatur betrachtet Skodzik mit Distanz. „Das leg ich mir nicht hin“, sagt er. Viele Bücher seien seinen auf Heftchen getrimmten und mit der „Romanboutique“ gealterten Stammkunden schlicht zu teuer.

Wegweiser durch die Nischengesellschaft:
Berlins Comicläden im Überblick 

FÜR ANSPRUCHSVOLLE:
Die beiden größten Läden mit umfangreicher Auswahl und gut informiertem Personal sind Modern Graphics und Grober Unfug, die jeweils zwei Filialen haben.

Das Hauptgeschäft von Modern Graphics ist in der Oranienstraße 22 (Kreuzberg), außerdem gibt es eine kleine Filiale im Europa-Center, Tauentzienstraße 9-12. Internet: www.modern-graphics.de

Grober Unfug führt deutsche und internationale Comics in der Weinmeisterstraße 9 (Mitte) sowie deutschsprachige Comics in der Zossener Straße 33 (Kreuzberg). www.groberunfug.de.

Ein kleinerer, auf grafische Literatur spezialisierter Laden ist Comics und Graphics, Prenzlauer Allee 46 (Prenzlauer Berg). www.bluetoons.de.

FÜR AMERIKANOPHILE:

Der Comic-Laden Black Dog (Rodenbergstraße 9, Prenzlauer Berg) ist spezialisiert auf US-Importe, die es hier - wie auch in den beiden oben genannten Läden - zeitgleich mit dem Erscheinen jenseits des Atlantiks gibt. Hier signiert am 21. Februar um 12 Uhr der Berliner Marvel-Starzeichner Marko Djurdjevic. www.blackdog1.de.

FÜR JAPANOPHILE:
Der Laden Neo Tokyo ist spezialisiert auf Manga-Comics und Anime-Filme: Schönhauser Allee 188 (Mitte), www.neotokyo.de.
Neo-Tokyo-Chef Werner Kolbeck empfiehlt im Tagesspiegel regelmäßig Manga-Neuerscheinungen - mehr unter diesem Link.

FÜR TRADITIONALISTEN:
Die Romanboutique, Martin-Luther-Straße 95 (Schöneberg), führt neben einigen Neuerscheinungen vor allem neue und gebrauchte deutschsprachige Klassiker. www.romanboutique.de.

FÜR JÄGER UND SAMMLER:
Comics aus zweiter Hand findet man im Roman- und Comicladen, Ebertystraße 22 (Friedrichshain), www.roman-und-comicladen.de.

Ebenso im Comic & Roman Treffpunkt, Cantianstraße 22 (Prenzlauer Berg), www.comicberlin.de.

Eine weitere Adresse ist Comic & Spiele, Baruther Str. 10 (Kreuzberg), www.comic-und-spiele.de.

Bei Sammlern beliebt ist auch der Stand von "City Comix", der jeden Samstag und Sonntag von 8 bis 16 Uhr auf dem Trödelmarkt Straße des 17. Juni in Charlottenburg zu finden ist. Da gibt es jede Menge vergriffene (meist deutsche) Comic-Alben und Taschenbücher.

FÜR SPIELER:
Die "Toyboxx" in der Nürnbergerstr. 24a in Charlottenburg (unweit des KaDeWe) hat sich einen Namen gemacht als Spezialgeschäft für Comic- und Actionfiguren, es gibt aber auch zahllose neue und sammelwürdige Comics. Mehr im Internet unter www.toyboxx.de.

FÜR UNABHÄNGIGE:
Eine Anlaufstelle für Freunde der Independent-Comic-Szene ist die Comicbibliothek „Renate“, Tucholskystr. 32 (Mitte), www.renatecomics.de. Hier gibt es Comics vor allem aus kleineren Verlagen und Selbstverlegtes zu kaufen.

Zwischen Comics, Kunst und Grafik pendelt Neurotitan im Haus Schwarzenberg, Rosenthalerstr. 39 (Mitte), www.neurotitan.de.

Der SupaLifeKiosk bietet Comics, Grafikkunst und Szene-Kunsthandwerk: Raumerstr. 40, Prenzlauer Berg, www.supalife.de.

In der Nische zwischen Comics und Designer-Spielzeug hat sich der Laden Bigbrobot angesiedelt (Kopernikusstraße 19, Friedrichshain, www.bigbrobot.de).

FÜR HUNGRIGE:
Der jüngste, originellste und kleinste Comic-Laden ist halb Fast-Food-Imbiss, halb Lesestube: Bei Hot Dogs, Soup & Comix (Raumerstr. 5, Prenzlauer Berg) gibt es zum Snack ausgewählte selbstverlegte Comics von Berliner Nachwuchszeichnern, die bislang noch bei keinem Verlag untergekommen sind.

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