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Western trifft Manga: Zwei Samurai bei den Sioux

Mit "Sky Hawk" erfüllt sich Manga-Star Jiro Taniguchi selbst einen Traum.

In seinem Vorwort zu "Sky Hawk" beklagt Jean Giraud alias Moebius, dass das amerikanische Kino seine eigene Mythologie weitgehend in Vergessenheit geraten ließ und dass all die Revolverhelden und Indianer deshalb in den frankobelgischen Comic flüchten mussten, das Reservat der Grenzlandmythen in unseren modernen Zeiten. Und "Blueberry"-Mitschöpfer Moebius – als eifriger Fluchthelfer seit den 1960ern – muss es ja schließlich wissen.

Manga-Star Jiro Taniguchi war immer ein Fan von frankobelgischen Comics im Allgemeinen und Moebius’ Arbeiten im Besonderen – und des Western-Genres, wie der Japaner wiederum in seinem Nachwort verrät. Mit "Sky Hawk" erfüllte sich der große Mangaka (»Gipfel der Götter«, »Vertraute Fremde«) also auch selbst einen Traum.

Im neuesten Band der Reihe shodoku erzählt Taniguchi so die Geschichte zweier Samurai, die 1869 auf dem Dampfer nach Amerika übersiedeln. Hier endet die wahre historische Begebenheit jedoch, denn in der Folge lässt er die beiden Nippon-Krieger, die in der Neuen Welt ihr Glück suchen und lange Zeit nicht finden, schließlich auf Crazy Horse und den Stamm der Oglala-Indianer treffen. Die Verbrüderung der stolzen, auf Ehre bedachten Krieger aus West und Ost scheint der einzig sinnvolle Weg für beide Seiten zu sein, und so werden im Kampf um das Land und die Lebensweise der Indianer plötzlich auch Samurai-Schwert, Ju Jitso und Langbogen eingesetzt, bis es zum Showdown mit dem berüchtigten General Custer am nicht weniger berüchtigten Little Bighorn kommt.

Natürlich klingt das von der Story und dem Setting her für einen Western schon sehr klassisch – aber Taniguchis Blickwinkel auf die Missetaten gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern, seine ruhige Erzählweise und der Weg des japanischen Kriegers bringen genügend frischen Wind in die Weiten der Prärie und die heiligen Black Hills der Sioux, damit die Geschichte ihren Schwung und ihre Faszination nie verliert. Außerdem besticht Taniguchi selbst in seinem bis dato brutalsten Werk selbstverständlich noch durch seine historische Präzision, durch die Menschlichkeit seiner Figuren und die Schönheit seiner Bilder, besonders seiner Landschaften. Letztere versetzen nicht nur Hikosaburo und Manzo in Staunen, sondern auch den Leser des nicht gespiegelten Manga (der also traditionell von rechts nach links gelesen wird – doch keine Sorge, man gewöhnt sich schnell dran).

Cowboyz and Indianz, sang Falco einst, um zum Abschluss noch einmal ein musikalisches Zitat zu bemühen. In diesem Sinne ist Indianz and Samuraiz der Enka-Country-Hit des Sommers. Denn Jiro Taniguchi überzeugt wieder auf ganzer Linie, auch wenn er zunächst auf reichlich ungewohnten Trails zu wandeln scheint. Doch am Ende fängt der vom Feuilleton geliebte Meister des erwachsenen Manga in seinem feurigen Westernsong mit typisch japanischen Klängen und Zwischentönen eben doch scheinbar mühelos den Spirit of the Hawk ein – und liefert damit die bis dahin gelungenste Verknüpfung von traditionellem Westerncomic und klassischem Manga.

Jiro Taniguchi: Sky Hawk, 288 Seiten, 16,95 Euro, Schreiber & Leser/shodoku. Eine Leseprobe gibt es hier.

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