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Rollenbilder. Aus Yang Fudongs Fotoserie „Neue Frauen“.

© Daimler Collection

Daimler Collection im Haus Huth: Begegnung chinesischer und westlicher Kunst

Die Daimler Collection stellt im Haus Huth chinesischer Kunst westliche Werke an die Seite. Eine dichte, vielschichtige Ausstellung.

Die Schuhe des Besuchers sinken in einen nachtblauen Teppich, der im Ausstellungsraum ausgelegt ist. Derart weich stehend betrachtet man eine Bodenskulptur von Simone Westerwinter, bei der es deutlich instabiler zugeht. Auf einer runden Metallscheibe glänzt eine sich beständig verändernde Eisschicht, die durch ein Kühlaggregat erzeugt wird. Auf dem Eis hat die Stuttgarter Künstlerin zwei rot karierte Stöckelschuhe platziert. Willkommen in der Verunsicherungsmaschine, die Kuratorin Renate Wiehager im Haus Huth aufgebaut hat.

„Last night’s fortune teller“ ist die dritte und letzte Schau einer Reihe überschrieben, die Neuerwerbungen chinesischer Kunst der Daimler Collection mit Werken internationaler Künstler aus der Sammlung kombiniert – diesmal zum Thema Skulptur. Schon in den Ausgaben zuvor gelang es Wiehager, Werke ganz unterschiedlicher Künstler so zu verbinden, dass sich auch ohne direkte Bezüge spannende Verbindungen ergaben.

Die Ausstellung behandelt Weiblichkeitskonstruktionen

Das gelingt erneut, auch wenn es im Auftaktraum des Ausstellungsparcours recht offensichtlich um Weiblichkeitskonstruktionen geht. Unweit der auf dem Eis tanzenden Stöckelschuhe sind ein paar Einkaufstüten von Luxusläden drapiert. In der Installation der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury werden Konsumlust und Kunst absichtsvoll ineinander geblendet. Die Sphäre des Weiblichen untersucht auch Yang Fudong, einer der prominentesten chinesischen Künstler der Sammlung. Seine großformatigen Fotografien zeigen junge Frauen, darunter zwei Mädels, die verführerisch in einer surreal ausgeleuchteten Felslandschaft posieren. Dabei gucken sie in ihren sexy Bikinis so wach und interessiert, als säßen sie auf einer Schulbank. Diese Arbeiten scheinen als Parodie auf feste Werturteile gedacht, die in Sachen Weiblichkeit genauso fragwürdig sind wie in Sachen Kunst.

Die Daimler Collection startete vor 40 Jahren mit abstrakt-konstruktivistischer Malerei von Künstlern aus dem süddeutschen Raum. Danach wurden konzeptionelle und minimalistische Arbeiten westlicher Prägung gekauft, bevor sich die Sammlung ab 2001 auch der Kunst aus Südafrika, Indien und Asien öffnete. Seit 2013 wird im Speziellen auch Kunst aus China erworben.

Farbgewaltige Fotoarbeiten und minimalistische Skulpturen

Dem Abstrakten und Minimalistischen kommt man im weiteren Parcours deutlicher auf die Spur als im ersten Raum, in dem Yang Fudongs farbgewaltige Fotoarbeiten dominieren. Ein „Lichtraum“ von Ulrich Erben aus den 70ern erinnert an die damaligen Versuche, Bildräume ohne Pinsel und Farbe zu erzeugen. Von Ding Yi, einem bedeutenden Repräsentanten der abstrakten Malerei in China, besitzt Daimler eine Zeichnung mit auf- und nebeneinander gesetzten Kreuzlinien, die in ihrem Format an chinesische Bildrollen erinnert. Der junge Künstler Yu Honglei verwendet für seine Installation Objekte der chinesischen Alltagskultur aus seinem persönlichen Umfeld. Zwei Porzellankatzen sitzen auf einer Holztruhe, an blauen Stelen sind zwei Wellensittiche befestigt. Die Dopplungen verweisen auf die Subjektivität jeder Narration. Yus Erinnerungen dienen nur als Sprungbrett für die eigenen Geschichten der Betrachter.

Und so ist gedanklich bereits der Boden für Iman Issas minimalistische Skulpturen bereitet. Issa, die 2017 für den Preis der Nationalgalerie nominiert war, ist mit ihren eleganten Studien zur geerbten Kultur prominent in der Sammlung vertreten. Die gebürtige Ägypterin reinterpretiert historische Artefakte und Denkmäler, indem sie textliche Beschreibung als Ausgangspunkt für ihre eigenen Entwürfe nimmt.

Ein dichtes Netz an Verweisen

Auch vor explizit politischen Arbeiten schreckt man nicht zurück. Das chinesische Künstlerduo Utopia Group hat im Rahmen seines sogenannten „North Korea International Microfilm Festivals“ selbstgemachte, oft skurrile Kurzfilme mit Nordkorea-Bezug gesammelt, die auf Tablets betrachtet werden können.

Dass es in dieser Ausstellung um eine Begegnung chinesischer und westlicher Kunst geht, ist schon nach den ersten Metern vergessen. Vielmehr entfaltet sich ein dichtes Netz an thematischen und kunstgeschichtlichen Verweisen, die in unterschiedlichen Medien und Formaten ausgespielt werden. In dieser komplizierten Referenzialität kann sich der Besucher leicht verlieren. Er sollte Zeit mitbringen, um die vielfältigen Aspekte der Schau wahrzunehmen.

Daimler Contemporary Berlin, Alte Potsdamer Str. 5, bis 13. 5.; tägl. 11 – 18 Uhr.

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