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Kultur: "Kongress für kulturelle Freiheit": Luftbrücke des Geistes - Klassentreffen nach 50 Jahren

"Die Freiheit hat die Offensive ergriffen", titelte der Tagesspiegel am 30. Juni 1950 zum Ende des "Kongresses für kulturelle Freiheit" in Berlin.

"Die Freiheit hat die Offensive ergriffen", titelte der Tagesspiegel am 30. Juni 1950 zum Ende des "Kongresses für kulturelle Freiheit" in Berlin. Unter den 150 Intellektuellen, die den Weg in die Frontstadt des Kalten Krieges fanden, waren undogmatische Linke und stramme Antikommunisten. Sie wollten die Freiheit des Geistes und der Kultur gegen den Totalitarismus verteidigen: gegen seine sowjetische Spielart, die noch immer viel Sympathien unter europäischen Intellektuellen fand. In einer feurigen Rede warf Arthur Koestler den auf "Äquidistanz" zu den Systemen bedachten Denkern denn auch "Neutralität gegenüber der Cholera" vor, die man sich in Zeiten, in denen es "um Leben und Tod" ginge, nicht leisten könne.

Als Antwort auf die prosowjetischen "Friedenskongresse" war die Versammlung gedacht, von denen besonders jener im März 1948 im New Yorker Waldorf Astoria Hotel die Unterstützung amerikanischer Autoren wie Arthur Miller und Norman Mailer gefunden hatte. Es war dem Einsatz des Amerikaners und Tagesspiegel-Korrespondenten Melvin Lasky, der auch den "Monat" leitete, und der Exkommunisten Franz Borkenau und Ruth Fischer zu verdanken, dass der Kongress in jener Stadt ausgetragen wurde, die Bürgermeister Ernst Reuter in seiner Eröffnungsrede als "kleine, in das Riesenreich von der Elbe bis Wladiwostock eingesprengte Insel" bezeichnete. Es sollte Schluss sein mit jenem bloß innerlichen Freiheitsbegriff, der sich nicht um die politischen Gegebenheiten schert und vom greisen Nestor der deutschen Staatswissenschaft Alfred Weber als Ursprung des deutschen Sonderwegs benannt wurde. Nicht von ungefähr hatten politische Philosophen wie Benedetto Croce, John Dewey, Karl Jaspers, Jaques Maritain und Bertrand Russel die Ehrenpräsidentschaft übernommen.

Weitere Brisanz erhielt der am 26. Juni eröffnete Kongress durch den Einfall Nordkoreas in Südkorea am Tag zuvor. Aufsehen erregte daher ein Beitrag, der gar nicht gehalten wurde: Der österreichische Atomphysiker Hans Thirring zog seine Anklage gegen den Westen in Sachen Kontrolle der Atomenergie zurück mit der Begründung, er habe sich in der Sowjetunion getäuscht. Erwartungsgemäß wurde aus dem Osten Berlins kommentiert: Die Teilnehmer wurden als Kriegstreiber, Polizeispitzel und mit dem antisemitisch aufgeladenen Nazischimpfwort "Kosmopoliten" verunglimpft. Johannes R. Becher sprach gar von "literarisch getarnten Gangstern". Einige Tage später entlarvte jedoch der "Sonntag", was durch die "New York Times" 1967 bestätigt wurde: Sowohl Laskys "Der Monat" als auch der Kongress selbst waren vom CIA mitfinanziert worden. Unabhängig blieben die Autoren dennoch. Mitinitiator Sidney Hook schreibt: "Es ist schlicht lächerlich zu glauben, dass Männer wie Ignazio Silone, Raymond Aron oder Carlo Schmid nach einer fremden Melodie getanzt haben würden." So ist der seit gestern stattfindende Kongress an der Berliner FU zur 50-Jahr-Feier der damaligen Versammlung auch als Rehabilitierung eines intellektuellen Aktionsbündnisses zu verstehen, das leider folgenlos blieb.

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