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Museumsarbeit - ein Lernprozess. Die Ausstellung „Das neue Deutschland. Von Migration und Vielfalt", 2014 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden, hätte mehr Besucher vertragen können.

© David Brandt

Leitfaden für die Museumsarbeit: Migration als Normalfall

Elitentempel oder Treffpunkt für alle? Ein Leitfaden wirbt für kulturelle Vielfalt im Museum.

Sind Museen Orte der kulturellen Vielfalt? Wird in den Häusern, in denen Kunstgegenstände und Objekte aus unterschiedlichen Erdteilen und Epochen versammelt sind, Migration thematisiert? Ja, möchte man meinen, das muss doch so sein. Museen sind prädestiniert dafür, Kulturen im Plural zu begreifen, Vielfalt zu präsentieren, Vertrautes und Fremdes gleichzeitig in einem Gegenstand erlebbar zu machen.

Kein Ding in einer Vitrine war per se als Ausstellungsgegenstand gedacht. Es sind von Menschen geformte Werke, verschenkt, verkauft, ja oft auch gestohlen oder geraubt. In fast jedem Museumsobjekt steckt eine Migrationsgeschichte. Migration als Normalzustand, das könnten Museen anhand ihrer Sammlungen erzählen. Die Realität sieht oft anders aus. Zu oft schleicht man in Museen noch an unattraktiven Vitrinen vorbei. Zu oft fühlt man sich nicht repräsentiert – und das betrifft nicht nur Migranten.

Museum für möglichst viele

Im Mai 2010 rief der Deutsche Museumsbund einen Arbeitskreis „Migration und kulturelle Vielfalt“ ins Leben, finanziell unterstützt von der Bundesregierung. In verschiedenen Projekten wurde erprobt, wie Migration ausgestellt und Vielfalt gelebt werden kann. Das Ergebnis lässt sich nun in einem Leitfaden für die Museumsarbeit nachlesen, diese Woche wurde er im Deutschen Museum Berlin vorgestellt (als pdf-Datei unter www.museumsbund.de). Er wirbt für neue Strategien in Häusern aller Sparten und Größen. „Mag das ‚Museum für alle’ eine Utopie bleiben, sollte das ‚Museum für möglichst viele’ Realität werden“, heißt es da. Eine neue Haltung ist gefragt. Unterschiedliche Blickwinkel repräsentieren, Migration im Querschnitt abbilden, nicht nur in wechselnden Sonderausstellungen. Mit dem Publikum arbeiten, statt für das Publikum. Sich überhaupt dafür interessieren, was die Besucher wollen. Offener werden, loslassen, nicht auf der eigenen Deutungshoheit beharren.

Selten Migranten unter den Museumsmitarbeitern

Es sei eine intensive, aber auch anstrengende Arbeit gewesen, sagt Dietmar Ossen, Leiter des LWL-Industriemuseums in Bochum und Sprecher des Projekts. „Schon beim ersten Treffen haben wir gesehen, dass die Museumsbelegschaft nicht so vielfältig ist wie die Gesellschaft draußen“, sagt er. Man darf sich das ruhig so vorstellen: Viele Herren im braunen Tweed, ein paar Damen, ähnliches Alter, ähnliche Bildung. Im Rahmen des Projekts wurden deshalb unter anderen Stipendiaten mit Migrationshintergrund engagiert. In Berlin berichten sie davon, wie schwierig es immer noch sei, mit einem ausländischen Namen ein Vorstellungsgespräch im Museum zu bekommen. Und wie man als Migrant automatisch dafür zuständig sei, andere Migranten ins Museum zu holen, was gar nicht jeder kann oder will.

Kunstmuseen wenig interessiert

Vom Naturkundemuseum bis zum Stadtmuseum waren alle Sparten beteiligt, nur die Kunstmuseen hätten wenig Interesse gezeigt, so Ossen. Internationale Kuratoren sind dort ohnehin gang und gäbe, vielleicht liegt es daran. Von einer Inklusion aller gesellschaftlichen Gruppen sind aber auch Kunstmuseen weit entfernt.

Natürlich widmen sich einige Häuser bereits seit Jahren dem Thema Migration, in Berlin etwa das Museum Neukölln oder das FHXB Friedrichshain- Kreuzberg. Sie integrieren die Bevölkerung, nehmen Alltagsobjekte in ihre Sammlungen auf, laden zu Diskussionen ein. Das Geheimnis scheint mittlerweile darin zu liegen, mit migrantischem und nicht migrantischem Blick auf allgemeine Themen zu schauen – und nicht Migration direkt auszustellen.

In Dresden war vielleicht genau Letzteres ein Problem. „Das neue Deutschland. Von Migration und Vielfalt“ hieß eine Ausstellung, die das Deutsche Hygiene-Museum bis Oktober 2014 zeigte, bevor die Pegida-Demonstrationen begannen. Das Interesse war verhalten, erzählt Direktorin Gisela Staupe.

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