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AUFGESCHLAGEN . . .: Sex, Macht & Zuckerwatte

Von Denis Scheck

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung 3. September, 23 Uhr 30).

10. Ulrich Wickert: Gauner muss man Gauner nennen (Piper Verlag, 320 S., 19,90€ )

Niemand nimmt dem Moderator eines tagesaktuellen Nachrichtenmagazins im Fernsehen übel, wenn seine Sendung aus Kraut und Rüben besteht und durch nichts zusammenhält als durch seine persönliche Glaubwürdigkeit, seine Gewitztheit und einen schicken Schlips. Hierin unterscheidet sich das Medium Fernsehen allerdings stark vom Medium Buch.

9. Veronika Peters: Was in zwei Koffer passt (Goldmann Verlag, 256 S., 18 €)

Die autobiografische Schilderung von zwölf Jahren in einem deutschen Benediktinerinnenkloster: ein nüchterner Report über das Befreiende, aber auch die Zweifel und Ängste im Leben einer Nonne, der ohne den Kitzel des Blicks unter den Habit auskommt. Gerade wegen Peters’ bis heute anhaltender Nähe zum Katholizismus wirkt ihr Buch umso desillusionierender für alle, die vom Ausstieg hinter Klostermauern träumen. Eine leichte, aber horizonterweiternde Lektüre.

8. Oliver Hilmes: Herrin des Hügels (Siedler Verlag, 478 S. 24,95 €)

Das beste Buch auf dieser Liste schildert das Leben einer der ungewöhnlichsten Frauen ihrer Zeit: Cosima Wagner, Tochter von Franz Liszt, lebte von 1837 bis 1930, wurde also 47 Jahre älter als Richard Wagner und machte in Bayreuth aus einer Liebe zur Revolution eine Liebe zur Konvention. Hilmes’ Buch zeichnet das Porträt der Patriarchin eines Familienclans, zu der im Vergleich Vito Corleone oder Tony Soprano wie blutige Dilettanten erscheinen. Ach ja, neben Sex, Geld und Macht geht’s ganz am Rande auch ein klein wenig um Musik.

7. Tiziano Terzani: Das Ende ist mein Anfang (Deutsch von Christiane Rhein, DVA, 416 Seiten, 19,95 € )

Letzte Worte eines auf dem Totenbett sehr geschwätzigen Journalisten. Jeder, der sich durch diese über vierhundert Seiten voll esoterischer Zuckerwatte gelesen hat, wird den Buchtitel als einzige Drohung auffassen.

6. Eva-Maria Zurhorst: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest (Arkana Verlag, 384 S., 18,90 €)

In diesem Buch ist das ganze Jahr evangelischer Kirchentag. Es enthält fast nur Sätze wie entmilitarisierte Zonen des Geistes, Sätze wie: „Ich glaube, so wie mit der Erde verhält es sich auch mit dem natürlichen Wesen der Frau.“ Die Autorin glaubt ferner, „das eigentliche Wesen der Frau“ sei „eine naturgegebene, gesunde Art, mit Kindern und Karriere – mit unserem gesamten Leben – umzugehen.“ Wäre dieses Buch ein Verkehrsunfall, die Polizei forderte einen auf: „Gehen Sie bitte weiter. Hier gibt’s wirklich nichts zu sehen.“

5. Joseph Ratzinger: Jesus von Nazareth (Herder, 448 S., 24 €)

In seinem wirren, unstrukturierten und flachen Buch über Jesus schreibt der Papst: „Die Geschichte kann nicht abseits von Gott durch bloß materielle Strukturen geregelt werden.“ So weit, so wahr. Aber käme es nicht auf einen Versuch an?

4. Karl Lauterbach: Der Zweiklassenstaat (Rowohlt Berlin, 224 S., 14,90 €)

Diesen Versuch unternimmt der SPD-Sozialexperte Lauterbach, indem er in sehr schlechtem Stil erklärt, warum Arme in Deutschland weniger gebildet, öfter krank, nachlässiger gepflegt und im Alter finanziell schlechter gestellt sind. Die Schuldigen für all diese Übel sind für Lauterbach „die Privilegierten“, eine ganz abgefeimte Spezies, die einen Zaubertrank namens „Vitamin B“ besitzen und sich, pfui aber auch, nicht von ihrem Geld trennen wollen. Diese Profilierungsschrift eines Politikers schlägt einfache Lösungen für komplexe Probleme vor und liest sich wie ein „Jurassic Park“ der Sozialpolitik.

3. Susanne Fröhlich, Constanze Kleis: Runzel-Ich (Krüger Verlag, 318 S., 14,90 €)

Susanne Fröhlich und Constanze Kleis treibt eine große Angst um: „Plötzlich sieht man aus wie Jocelyne Wildernstein, also wie ein überfahrenes Gürteltier, und nicht mal mehr Gott würde einen wiedererkennen.“ Fröhlich beschwichtigt diese Angst vor dem Älterwerden mit einem Botox-Selbstversuch. Viele vernünftige Menschen dagegen trösten sich über diese Angst mit einer kleinen Extrapolation, dem relativierenden Gedanken nämlich, wie sie in siebzig, achtzig Jahren aussehen – und vor allem riechen werden. Dagegen ist so ein frisch überfahrenes Gürteltier der reinste Wonneproppen.

2. Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis. (Aus dem Englischen von Karl Friedrich Hörner, Arkana, 237 S., 16,95 €)

„Alles ist Energie“, heißt es in dieser Bibel des Blödsinns. „Sie sind ein Energiemagnet, und als solcher ziehen Sie energetisch alles zu sich und energetisieren sich selbst elektrisch zu allem, was sie wollen.“ Diese Behauptung ist unwahr. Wahr hingegen ist: Sollten Sie dieses Buch in Händen halten, sind Sie ein Schwachsinnsmagnet, haben in Physik nie begriffen, was der Unterschied zwischen Energie und Elektrizität ist und lassen sich jeden Dreck andrehen.

1. Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg (Malik, 352 Seiten, 19,90 €)

„Man kann es gar nicht oft genug sagen, wie weh die Füße genau tun, wenn man den Jakobsweg läuft“, schreibt Kerkeling auf Seite 128 seiner Pilgererzählung. Wir erfahren es denn auch noch über hundertmal. Dazwischen erzählt der Autor kleine Anekdoten, etwa darüber, wie er in einer Reinkarnation als Mönch bei Breslau Juden während des Zweiten Weltkriegs versteckt und dafür erschossen wird. Derlei Entertainment made in Germany sorgt dafür, dass man gar nicht oft genug sagen kann, wie weh einem der Kopf genau tut, wenn man dieses Buch gelesen hat.

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