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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: Wer nicht liest, bleibt dumm

Denis Scheck, Literaturredakteur im Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die "Spiegel"-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung "Druckfrisch", Sonntag, 23 Uhr.

10) Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis (Aus dem Englischen von Karl Friedrich Hörner, Arkana, 237 S., 16,95 €)

Aus diesem Begleitbuch zu einer australischen Fernsehserie über Esoterik lässt sich viel über die Kraft des Glaubens erfahren: „Wenn Sie bloß intellektuell etwas glauben, aber kein entsprechendes Gefühl dazu haben, besitzen Sie nicht unbedingt genug Kraft, um zu manifestieren, was Sie in Ihrem Leben wollen.“ Dies ist ein strunzdummes Machwerk. Ich fühle Scham, dass so ein Abzocker-Schund immer noch auf der Bestsellerliste steht. Die Frage ist nur, ob meine Kraft ausreicht, das zu ändern.

9) Jürgen Neffe: Darwin – Das Abenteuer des Lebens (Bertelsmann, 544 S., 22,95 €)

Auf diesen facettenreichen Bestseller dürfen wir hingegen stolz sein. Neffe erzählt vom Leben Charles Darwins, von der Evolutionstheorie, vor allem aber von Jürgen Neffes eigener Reise auf den Spuren Darwins. Eine von Neffes zentralen Thesen lautet: „Je weiter wir unserer Biologie durch Kultur entrinnen, desto besser die Aussichten für die Menschheit.“ Als Leser des Kulturteils einer deutschen Zeitung tun Sie also gerade Gutes für die Menschheit. Weiter so!

8) Dirk Müller: Crashkurs (Droemer Verlag, 256 Seiten, 18 €)

Dieses Buch ist peinlich vulgär, extrem oberflächlich und zudem durchdrungen von einer Neuauflage der albernen Angst vor der Gelben Gefahr. Es ist aber auch ein Buch, aus dem ich mehr über Wirtschaft und die aktuelle Finanzkrise erfahren habe als aus jedem Wirtschaftsteil.

7) Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zascke: Ein Mann, ein Buch (SZ Edition, 415 Seiten, 19,90 €)

Wie verhalte ich mich im Bordell? Worauf kommt’s beim Gebrauchtwagenkauf an? Was muss man wissen, um den idealen Papierflieger zu bauen? Zwar nicht die lang erwartete Betriebsanleitung für den Mann, aber immerhin ein sehr vergnügliches Sammelsurium all dessen, was unsere Gesellschaft als männliche Wissensdomänen definiert.

6) Barack Obama: Ein amerikanischer Traum (Deutsch von Matthias Fienbork, Hanser Verlag, 448 Seiten, 24,80 €)

Dieses im Original vor 15 Jahren erschienene Buch des US-Präsidenten ist der legitime Versuch eines 29-Jährigen, Geld zu verdienen, indem er seine außergewöhnliche Familiengeschichte erzählt. Das Resultat: nicht unsympathisch, aber verkitscht, naiv, vom Lauf der Ereignisse schlicht überholt. Eine Mogelpackung.

5) Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden (Gütersloher Verlagshaus, 191 Seiten, 17,95 €)

Von Kindererziehung versteht Michael Winterhoff als Jugendpsychiater ganz sicher mehr als ich. Sein Buch ist in klassischer amerikanischer Manier gestrickt, das heißt, die geschilderten Fallbeispiele illustrieren stets nur die Meinung des Autors. Und das ist in meinen Augen schlicht manipulativ.

4) Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja wie viele? (Goldmann, 398 Seiten, 14,95 €)

Dieses schlaue Buch, eine wissenstiftende Einführung in Hirnforschung und Philosophie, erklärt, was es mit Spiegelhormonen auf sich hat und warum es trotz Finanzkrise nicht angeht, seine Erbtante schmerzlos im Schlaf zu ermorden. Ein gutes, ein notwendiges Buch.

3) Helmut Schmidt und Giovanni di Lorenzo: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt (Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 16,95 €)

Warum wir Deutschen mehr mit Polen reden, mehr über Polen wissen und mehr in Polen machen müssen, weshalb man den Koran lesen sollte und was Hitler, Obama und Lafontaine gemeinsam haben – nämlich Charisma: das alles und noch viel mehr steht in diesem Buch. Schmidts Interviews sind leicht, aber nie seicht. Der schönste Satz darin: „Jemand, der nichts liest, bleibt dumm.“ Nur leider gilt nicht immer der Umkehrschluss.

2) Michael Winterhoff: Tyrannen müssen nicht sein (Gütersloher Verlagshaus, 192 Seiten, 17,95 €)

Bei allem Respekt vor der professionellen Kompetenz von Michael Winterhoff frage ich mich doch, warum seine Tyrannen-Bücher so erfolgreich sind. Mich wundert, dass wir bei unseren Haustieren alle Arten von sanften Pferde-, Hunde- und Katzenflüsterern feiern, bei unseren Kindern aber den Rollback zu einer Erziehung mit strenger Hand fordern.

1) Helmut Schmidt: Außer Dienst (Siedler, 352 Seiten, 22,95 €)

So wie die Bayern ihren König Ludwig wiederhaben wollen, so können die Deutschen nicht genug kriegen von Helmut Schmidt. Dieses skurrile, aber schöne Buch, in dem Schmidt seinen Lesern auf einer höchst individuellen tour d’horizon die „Kardinalprobleme“ der Weltpolitik erläutert, belegt, wieso das so ist: Hier schreibt jemand, der sehr viel weiß und zu wenig Zeit hat, um sich noch lange mit Eitelkeitsgymnastik aufzuhalten. Wenn Schmidt schon nicht wieder Kanzler werden möchte, könnte er dann nicht wenigstens die Fußballnationalelf übernehmen?

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