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Söldner

© The New York Times/Redux/laif

Blackwater: Die Söldner kommen

Industrie der Zukunft? Der US-Journalist Jeremy Scahill warnt eindringlich vor der mächtigsten Privatarmee der Welt.

Am Morgen des 16. September 2007 war der Name Blackwater nur wenigen ein Begriff. Am Abend stand er in einer Reihe mit Abu Ghraib und Falludscha für das selbstverschuldete Scheitern der USA in Irak. Ein Konvoi des US-Außenministeriums war bei seiner rasanten Fahrt durch Bagdad auf einer Kreuzung aufgehalten worden. Der Begleitschutz witterte eine Falle und eröffnete das Feuer auf Passanten und Autos, die sich auf der Kreuzung befanden. 17 Iraker starben, mindestens 24 wurden verletzt.

Schnell stellte sich heraus, dass der Begleitschutz aus Männern des privaten Sicherheitsunternehmens Blackwater USA bestanden hatte. Eine Falle hatte es nicht gegeben. Für den US-Journalisten Jeremy Scahill ist „Bagdads blutiger Sonntag“ der Kulminationspunkt einer Entwicklung, die Mitte der neunziger Jahre mit der Gründung von Blackwater USA in den Sümpfen North Carolinas begonnen hatte. Seine detaillierte Chronik der Unternehmensgeschichte heißt im Untertitel reißerisch „Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“; sie beschreibt gleichzeitig die Umwälzungen, die das Kriegswesen jüngst erlebt hat.

Blackwater steht beispielhaft für den jüngsten Zweig des militärisch-industriellen Komplexes, das Söldnerwesen. Mit Furor skizziert Scahill, wie die Firma, die vor dem Irakkrieg lediglich eine Schießanlage betrieben hatte, in kurzer Zeit zu einem der weltweit größten Sicherheitsdienstleister werden konnte. Begünstigt wurde der Aufstieg durch die Nähe von Blackwater-Chef Erik Prince zur Bush-Regierung. Die Familie Prince, eine stark religiös geprägte Unternehmerdynastie aus Michigan, gehört zu den treuesten Spendern der Republikaner.

Den entscheidenden Moment zum Verständnis der privaten Sicherheitsbranche sieht Scahill jedoch in den Anschlägen vom 11. September. Die darauf folgenden Kriege überstrapazierten das von Kürzungen betroffene Militär, und es eröffnete sich ein völlig neuer Markt, der von britischen und amerikanischen Firmen bedient wurde. Für Blackwater begann das große Geschäft 2003: Das Unternehmen erhielt den Auftrag, den damaligen US-Stadthalter in Irak, Paul Bremer, zu schützen. Der Vertrag belief sich auf eine Summe von 27,7 Millionen Dollar. Seitdem ist Blackwater stetig expandiert: In den vier folgenden Jahren erhielt das Unternehmen Aufträge im Wert von weiteren 470 Millionen Dollar.

Zurzeit operieren etwa 30.000 bewaffnete Sicherheitsleute in Irak. Rund 1000 davon gehören zu Blackwater. Sie übernehmen die Bewachung von Regierungsgebäuden, sie beschützen Beamte und Politiker und zahlungskräftige Privatpersonen. Die Bezahlung der Söldner liegt mit bis zu 1600 Dollar am Tag um ein Vielfaches über dem Sold regulärer Soldaten. Allerdings werden Söldner aus Entwicklungsländern teils erheblich schlechter entlohnt. Blackwater besitzt ein umfangreiches Waffenarsenal, eigene Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge.

Sein Personal rekrutiert sich vorwiegend aus ehemaligen Kämpfern von Eliteeinheiten. Unter ihnen hat Scahill auch Ex-Angehörige der berüchtigten südafrikanischen und chilenischen Streitkräfte sowie zentralamerikanischer Todesschwadrone gefunden. Obwohl die Blackwater-Männer gemeinsam mit Einheiten der US-Armee patrouillieren, gelten die üblichen Regeln für sie nicht. Die US-Regierung hat ihnen Straffreiheit zugesichert. Scahill schildert, wie Söldner, die Iraker ermordet hatten, auf Anweisung des Außenministeriums kurzerhand ausgeflogen wurden. In vielen Fällen erhielten die Familien die Opfer ein lächerlich geringes Schweigegeld.

Aufgebracht notiert Scahill: „Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit lagerte die Bush-Regierung viele der Funktionen, die seit jeher dem Militär vorbehalten waren, an Privatunternehmen aus. Diese wiederum sind gegenüber dem Steuerzahler, dem sie ihre Profite verdanken, nicht zur Rechenschaft verpflichtet.“ Er schätzt den Umfang der Verträge der US-Regierung mit allen privaten Sicherheitsdienstleistern auf rund 5,6 Milliarden Dollar. Seine gut dokumentierte Recherche zeigt dabei einmal mehr die moralische Prinzipienlosigkeit der US- Führung: Dieselben Männer, die als Regierungsmitarbeiter den Markt für die Sicherheitsindustrie öffnen, profitieren später als Berater oder Mitglieder der begünstigten Firmen. Oder sie wechseln von den Unternehmen in die Regierung, so wie der ehemalige Vize-Außenminister Richard Armitage. Er war vor seinem Amtsantritt 2001 Direktor des Söldnerunternehmens Caci. Es bekam später den Auftrag, Verhörpersonal für das Gefängnis Abu Ghraib zu stellen.

Als „regelrechten Goldrausch“ bezeichnete der Direktor von Kroll, einer anderen Sicherheitsfirma, den Irakkrieg. Nicht Öl sei nach 9/11 das Geschäft der Zukunft, folgert Scahill, sondern Sicherheit. Und er fragt, ob das Pentagon ohne sein Söldnerheer überhaupt noch operieren könnte. Tatsächlich wird Blackwater schon seit zwei Jahren offiziell vom Pentagon als Teil der Streitkräfte anerkannt. Es gehört zu den Schwächen von Scahills Buch, dass er die möglichen Konsequenzen daraus nicht ergründet. Etwa ob die Auslagerung des staatlichen Gewaltmonopols an Privatarmeen eine Gefahr für die Demokratie darstellt.

Umgekehrt könnte man die provokante Frage stellen, ob in der Privatisierung der Kriegsführung nicht auch die Lösung für die Dilemmata anderer Armeen läge? Die Bundeswehr etwa schickt ihre Soldaten in Krisengebiete, an Kampfeinsätzen dürfen sie aber nicht teilnehmen. Wären Söldnerarmeen da nicht ein Ausweg? Das Beispiel Blackwater lässt nur eine negative Antwort zu: Denn die Öffentlichkeit erfährt nichts von den Toten – wie viele Söldner in Irak gefallen sind, kann nur geschätzt werden; gleichzeitig bleiben ihre Verbrechen im Verborgenen.

Schlimmer noch: Das arrogante Auftreten der Söldner hat der Strategie der US-Besatzer erheblich geschadet, die einmal die Herzen der Iraker gewinnen wollten. Scahill macht es sich zwar zu einfach, wenn er den Lynchmord an vier Blackwater-Mitarbeitern 2004 in Falludscha einzig auf den Zorn der Iraker über das Verhalten der Blackwater-Männer zurückführt, die als besonders schießwütig gelten. Fakt ist jedoch, dass die Industrie von der US-Regierung trotz solcher Vorfälle weiter gepäppelt wird. Längst ist Blackwater auch im Inneren der USA im Einsatz. So patrouillierten Blackwater-Söldner nach dem Hurrikan Katrina durch New Orleans.

Zudem bildet die Firma eine aserbaidschanische Eliteeinheit aus. Diese soll unmittelbar an der Grenze zu Iran stationiert werden. Aserbaidschan gilt als wichtiger Baustein im „Great Game“ um die Öl- und Gasreserven am Kaspischen Meer. Und wie zufällig befinden sich im Beratergremium der amerikanisch-aserbaidschanischen Handelskammer plötzlich Männer aus dem Dunstkreis von US-Regierung und Ölindustrie, darunter Richard Armitage, Dick Cheney, Brent Scowcroft, Richard Perle, James Baker und Henry Kissinger. Nach Ansicht der New York Times haben sie ihre Privatinteressen mit vermeintlichen nationalen Interessen der USA verquickt. Es ist daher nur konsequent, dass auch Privatfirmen beauftragt werden, um diese Interessen durchzusetzen.

Auch wegen dieses Beispiels ist Scahills Buch eine beeindruckende und wichtige investigative Arbeit, die stellenweise jedoch floskelhaft übersetzt worden ist. Es scheint, als ob private Söldnerheere aus der Kriegführung der Zukunft nicht mehr wegzudenken sind. Die junge, millionenschwere Sicherheitsindustrie ist von der US-Regierung unentbehrlich gemacht worden - die sich abzeichnende Gefahr besteht, dass sie unkontrollierbar wird.

Jeremy Scahill
: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt. Kunstmann Verlag, München 2008. 320 Seiten, 22 Euro.

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