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Muhlis Ari, genannt Mehmet, als Jugendlicher.

© dpa

Ex-Serientäter „Mehmet“: Das Opfer, der Onkel und die Buchmesse

Mehmet, der Serientäter, kommt nicht zur Frankfurter Buchmesse. Muhlis Ari, wie er in Wirklichkeit heißt, würde verhaftet, wollte er in Frankfurt sein neues Buch vorstellen. Es heißt "Sie nannten mich Mehmet. Geschichte eines Ghettokindes".

„Mehmet“ hat sich zur Buchmesse in Frankfurt angemeldet, bürgerlich Herr Muhlis Ari, 29 Jahre, wohnhaft in Çerkezköy in der Türkei. Der ehemals bekannteste Kinderkriminelle Deutschlands möchte seine Biografie präsentieren, erschienen in einem Verlag, der auch Bushido und Bettina Wulff Lebensbeichten abgenommen hat. Allerdings wollen die Frankfurter Behörden dies nicht; gegen Ari liegt ein Haftbefehl vor, 18 Monate Haft drohen, er ist ein flüchtiger Straftäter. Sein Anwalt fordert eine Ausnahme und freies Geleit. Für Beerdigungen und Familienfeiern gebe es das auch.

Mehmet - eine Farce

Die Wiederholung von „Mehmets“ Geschichte als Farce durchlief ihren ersten Höhepunkt bei einem Gespräch Aris mit seinem einstigen Widersacher, Bayerns ehemaligem Innenminister Günther Beckstein in Istanbul, arrangiert von der „Bild am Sonntag“. „Sie haben mein Leben zerstört, Herr Beckstein“, hielt Ari ihm vor. „Wenn Sie jetzt offenbar ein anständiges Leben führen und weg von der Kriminalität sind, ist das ein Stück mein Verdienst“, entgegnete der Altpolitiker.

Mehmet macht sich zum Opfer

Sollte dies das Resümee einer kriminalpolitischen Debatte sein, wie sie bisher einzigartig war, dann ist es eines, das ratlos macht. Der Täter macht sich zum Opfer und der Politiker zum Onkel. Etwas peinlich ist beides.

Der Fall „Mehmet“ brachte die Bürgerseele zu einer Zeit in Wallung, als viele noch glaubten, junge Schläger seien ein Ausländerproblem, das sich durch Abschiebung lösen lasse. Dass es stets Härte sei, die helfe. Die bayerische Landtagswahl 1998 war eine „Mehmet“-Wahl. Derart fehlgeleitet, haben sich die Behörden an seiner Familie versündigt. Man wies seine seit ewig hier lebenden Eltern aus, weil sie erzieherisch versagt hätten. Nur, um auch den Jungen wegschicken zu können. Der minderjährige Leberkässemmelliebhaber landete bei Verwandten in der für ihn fremdsprachigen Türkei, die niemals seine Heimat war. Wie gut ihm das tat, weiß man nicht. Die Abschiebung war rechtswidrig. Zuletzt wurde er verurteilt, weil er seine Eltern um Geld erpresste und schlug. Seine Eltern, in deren Ferienhaus er heute lebt. Im Sommer sind sie da, im Winter in München.

Muhlis Ari - für immer ein Kind geblieben?

Immer mal wieder sprach Muhlis Ari mit der Presse. Vielleicht wurde ein verzerrtes Bild abgeliefert. Aber stets wirkte es, als habe da einer nicht im Ansatz begriffen, wer er ist und was er tat. Und die Leerstelle mit seinem Großmaul füllt, aktuell mit seinem Opfergerede. Kriminell ist er nicht, aber ein Kind ist er geblieben. Er war nie ein Fall für große Politik. Und ist nicht mal einer für kleine Bücher. Jost Müller-Neuhof

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