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Duve-Roman "Taxi": Nachtschicht

Eine Taxifahrerin mit scharfem Blick auf ihre Fahrgäste: Karen Duves neuer Roman gibt Gas, bremst, wendet - und rast dann auf ein katastrophales Happy End zu.

"Die Unterhaltungsfunktion von Büchern ist ja auch längst überholt", sagt Rüdiger auf Seite 135. Nun ist Rüdiger in Karen Duves neuem Roman "Taxi" keinesfalls ein Sympathieträger. Und so wirkt das ganze Buch, als habe die Autorin es Leuten wie Rüdiger mal richtig zeigen wollen: Tatsächlich unterhält "Taxi" zeitgemäß.

Überholt wirken vor allem Rüdigers frauenverachtende Sprüche. Überhaupt nimmt Duve das groteske Gehabe mancher Männer, ihren ungewollt komischen Kampf gegen Komplexe und Konkurrenten aufs Schönste auf die Schippe. "Als Schimpanse in einer Schimpansenhorde wäre er ein unbeliebtes, aber respektiertes Alphatier gewesen, das alle Weibchen für sich beansprucht und alle männlichen Schimpansen in Angst und Schrecken versetzt hätte", schildert sie - nicht die Nebenfigur Rüdiger, sondern einen Fahrgast der Ich-Erzählerin.

Autobiographische Züge

Die fährt Taxi und liest beim Warten auf Kunden Bücher über Menschenaffen. Das hat autobiografische Züge. Karen Duve ist jahrelang Taxi gefahren, bevor sie 1999 mit dem "Regenroman" den Durchbruch als Schriftstellerin schaffte. Vieles in "Taxi" hat sie zweifellos so oder ähnlich selbst er-fahren. Das Buch lebt (auch) vom fein beobachteten Detail, von der Vielfalt menschlichen Verhaltens, das sich auf Beifahrersitz und Rückbank eines Taxis abwechselt.

Die Nachtschicht auf vier Rädern richtet den Blick auf eine zerrissene Welt: Das Leben fährt Taxi, mal hierhin, mal dorthin. Eine sitzt am Steuer und gibt doch nicht die Richtung vor. Geografische Fixpunkte - Staatsoper, Karl-Muck-Platz, Siemersplatz, Großneumarkt - bieten der Orientierung suchenden Heldin ebenso wenig Halt wie die menschlichen: Dietrich, Marco, Majewski oder Mutter.

So wirkt auch Duves Roman mitunter etwas zerfahren. Er gibt Gas, bremst, wendet, rast schließlich mit affenartiger Geschwindigkeit auf ein katastrophales Happy End zu. Was will der Leser mehr? Sex? Ist vorhanden. Humor? Bleibt trocken. "Geistige Erfrischung" verlangt der frauenfeindliche Hobby-Philosoph Rüdiger von einer Lektüre. Auch die hat Karen Duves "Taxi" im Kofferraum immer mit dabei.

Karen Duve: Taxi, Eichborn Berlin, 313 S., 19,95 Euro, ISBN 978-3-8218-0953-3

Roland Siegloff[dpa]

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