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© dpa

Hegemanns 18. Geburtstag im Tresor: Der Wahnsinn geht weiter

Der Ullstein Verlag feierte im Berliner Tresor den 18. Geburtstag von Helene Hegemann und die Veröffentlichung ihres Romans „Axolotl Roadkill“, dem Buch, das seit zwei Wochen Gott, die Welt und vor allem den Kultur- und Literaturbetrieb bewegt.

Es ist gerade mal acht Uhr an diesem regnerischem, von Tauwetter bestimmten Freitagabend, und vor dem Eingang des Tresors in der Köpenicker Straße in Berlin stehen hunderte von Menschen und warten auf Einlass. Nicht, weil hier irgendein legendärer Techno-DJ in einem legendärem Techno-Club auflegt, dafür ist es viel zu früh; auch nicht, weil der Tresor zu den angesagtesten Clubs der Stadt gehört, das ist er schon länger nicht mehr, Legende hin oder her. Sondern weil der Ullstein Verlag hier den 18. Geburtstag von Helene Hegemann und die Veröffentlichung ihres Romans „Axolotl Roadkill“ feiert, dem Buch, das seit zwei Wochen Gott, die Welt und vor allem den Kultur- und Literaturbetrieb bewegt.

Der Hegemann-Wahnsinn will kein Ende nehmen, und der Verlag ist mit dem Einlass von 800 geladenen Menschen und der Gästelistenkontrolle offensichtlich überfordert. So sieht man schon am Eingang, dass das gesamte Feuilleton vertreten ist, von der Juryvorsitzenden des Leipziger Buchpreises, Verena Auffermann, bis zu Diederich Diederichsen, von Moritz von Uslar bis zu ZDF-“Aspekte“-Moderatorinnen, vom „Spiegel“ bis zur „FAZ“. Es ist eine Mischung aus Sensationsgier und Berichterstatterpflicht, die viele hierher geführt hat. Man muss Helene Hegemann einmal live gesehen haben, das hier will einfach keiner verpassen. Und da ist es dann auch niemand peinlich, unter den rosafarbenen Lamettafäden der an der Decke in einem der Tresor-Kellerräume hängenden rosa Luftballons herumzuspazieren. Und auch nicht, die ganze Zeit auf ein hinter der Bühne blinkendes rotes Herz zu starren. So ein Herz ziert übrigens das Cover des Ullstein-Buches „Fucking Berlin“ (die Geschichte einer Berliner Prostituierten), es würde vor dem Eingang eines jeden Bordells nicht weiter auffallen. Doch wird hier nicht zuletzt die Geburtstagsparty eines 18-jährigen Mädchens gefeiert, und da darf es schon mal „fetzig“ zugehen, da gehört eine vielfach fotografierte Geburtstagstorte genauso dazu wie später das Zertrümmern einer mehr wie ein Kürbis aussehenden Axolotl-Attrappe durch Hegemann und ihre jungen Freunde.

Das krasse Gegenteil dazu ist dann aber die nüchterne Art der Ullstein-Chefin Siv Bublitz, einer Hanseatin, die vor der Lesung von Hegemann ein paar Sätze sagt. Das gehört sich so bei einer „Book-Release-Party“; doch sind in diesem Fall auch die Umstände besondere: nach begeisternden Porträts und Rezensionen kurz nach der Veröffentlichung von „Axolotl Roadkill“, nach einer Plagiatsdebatte und sich anschließenden harschen Verrissen und nicht ganz so harschen Keilereien innerhalb des Literaturbetriebs. Bublitz erklärt, warum der Verlag das Quellenverzeichnis so überaus genau dargelegt hat und den kommenden Auflagen beifügt. Und warum der Verlag dadurch bewusst juristischen Auseinandersetzungen aus dem Weg gegangen ist - das natürlich nach intensiver juristischer Beratung, nach der Versicherung von Juristen, dass hier von einem lupenreinen Plagiat keineswegs die Rede sein kann. Bublitz sagt, das Buch solle weiterhin für sich sprechen und erhältlich sein. Sie lobt die Energie, die darin steckt - dem man nach der Lektüre getrost zustimmen kann. Und die Sprachkraft, den Rhythmus der Sprache - was leider nicht zutrifft. Und Bublitz betont mehrmals, die Aufmerksamkeit wieder mehr auf das Buch lenken zu wollen, auf dass sichtbar werde, dass der ganze Aufriss der letzte zwei Wochen vielleicht nicht nötig gewesen sei. Und tatsächlich: Ein Talent zu sein ist das eine, Hegemann kann man als ein solches bezeichnen. Ein wirklich großes Buch aber das andere: „Axolotl Roadkill“ ist das sicher nicht. Bublitz übergibt dann an ihre Autorin, der das Ganze zunächst sichtlich unangenehm ist, die sich aber zusammenreißt und einen Abschnitt liest.

Der Rest ist business as usual, nur dass die Musik um Klassen besser ist: von The XX, den Chris-Isaak-Plagiatoren, bis zu Phoenix, den Ultravox-Plagiatoren, und zwar für die Jungen. Von Ultravox bis zu Human League, für die Altvorderen. Manchmal an diesem Abend aber kann man sich nicht dagegen wehren, doch Mitleid mit Helene Hegemann zu haben. Ist das alles nicht auch sehr, sehr traurig? Muss ein junges Mädchen wirklich ihren 18. Geburtstag feiern und dabei wie ein Tier im Zoo bestaunt werden? Muss sie als so junger Mensch nicht diesem Kultur-Establishment den Stinkefinger zeigen? Oder gerade jetzt wie ein Thomas Bernhard mantramäßig vor sich grummeln: Sie haben mir auf den Kopf gemacht, sie haben mir auf den Kopf gemacht........

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