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Von der Stasi bespitzelt: Im Visier: Günter Grass

In der DDR galt er als strammer Antikommunist und Staatsfeind: Der Schriftsteller Günter Grass wurde jahrzehntelang von der Stasi bespitzelt.

Einen Tag nach dem Mauerbau bezog Günter Grass erstmals öffentlich gegen das DDR-Regime Stellung. In einem Offenen Brief an die damalige Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbands, Anna Seghers, schrieb er: „Es darf nicht sein, dass Sie, die bis heute vielen Menschen der Begriff aller Auflehnung gegen die Gewalt sind, dem Irrationalismus eines Gottfried Benn verfallen und die Gewalttätigkeit einer Diktatur verkennen, die sich mit ihrem Traum vom Sozialismus und Kommunismus (...) notdürftig und dennoch geschickt verkleidet hat.“ Eine Antwort bekam Grass nicht. Zwei Tage später legten er und sein Kollege Wolfdietrich Schnurre nach und forderten die Mitglieder des DDR-Schriftstellerverbands auf, sich von den Maßnahmen der DDR-Regierung zu distanzieren.

Seitdem galt Grass in der DDR als strammer Antikommunist und Staatsfeind, der bei seinen DDR-Besuchen auf Schritt und Tritt von der Staatssicherheit bewacht wurde. Wie intensiv die Bespitzelung war, das belegt jetzt eine Dokumentation, die nächste Woche in den Buchhandel kommt und in Auszügen in der heutigen „Zeit“ vorabgedruckt ist: „Günter Grass im Visier – Die Stasi-Akte“ (Ch. Links Verlag). Grass hat dafür seine 700 Blatt zählenden Stasi-Akten freigegeben, „damit die Lesart der Stasi nicht die einzige bleibt“, wie er sagt. „Der Umfang der Bespitzelung war uns, die wir meist zu mehreren aus West-Berlin einreisten, nicht bewusst. Bei unseren Besuchen bei Schriftstellerkollegen wurden wir von der Friedrichstraße ab mehr oder weniger auffällig begleitet“, so Grass weiter.

Zu den in der Dokumentation belegten Informanten der Stasi gehörten der Verleger Hans Marquardt, der Schriftsteller Hermann Kant und der Regisseur Manfred Wekwerth, der etwa 1965 in einem Bericht schrieb: „Für die DDR negativ wirkt sich die Stellung des Schriftstellers Grass aus.“ Im „Zeit“-Interview äußert Grass sein Erstaunen darüber, dass Marquardt ein fester Informant der Stasi war und Hermann Kant schon von 1961 an Berichte über ihn verfasste. (Tsp/dpa)

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