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Jugoslawien: Der Krieg hört nie auf

In seinen Erzählungen leiht der junge Kroate Roman Simic den Verlierern einer durchkapitalisierten post-jugoslawischen Gesellschaft seine Stimme.

Der Krieg ist vorbei, das alte Heimatdorf nahe Zagreb nahezu verwaist und verwüstet. Roko und sein Vater, die sich nach dem Tod der Mutter nichts mehr zu sagen haben, kehren dorthin zurück, um einem alten Freund bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Gemeinsam pflanzen sie im Garten Paprika, und nach einer Weile stützt sich der Alte auf Rokos Schulter und nimmt Witterung auf, den Geruch der Heimaterde. „Mit seiner schmutzigen Hand, die nach Rokos Mutter roch, streichelte er über die Wange seines Sohns, und Roko begann zu weinen.“

In dieser Geschichte des jungen kroatischen Schriftstellers Roman Simic stimmt alles. Die triste, mit dürren Worten beschriebene Nachkriegslandschaft wird zum Emblem für das kaputte Verhältnis und die desolate Seelenlage der beiden Protagonisten. Das Thema ist ganz aufgelöst in der lakonischen Szenerie, hier stört kein Räsonnement und keine intentionale Schlacke. Man sieht sofort, in welche erzählerische Tradition Roman Simic sich stellt. Schon der Titel dieses Erzählungsbandes, „In was wir uns verlieben“, spielt an auf eine berühmte Short-Story-Sammlung von Raymond Carver.

Und so sind es auch hier die Randständigen, Geschlagenen, Desillusionierten, Antriebslosen und nicht zuletzt die Verlierer in der sich langsam durchkapitalisierenden post-jugoslawischen Gesellschaft, denen Simic eine Stimme leiht. Und es sind die kleinen Vorhöllen des Alltags, das ganz profane Scheitern der Liebe, die ephemeren Niederträchtigkeiten, die in diesen Geschichten zur Sprache kommen, in denen der Krieg immer noch so präsent erscheint, dass man nicht viele Worte über ihn verlieren darf. Die Geschichten gelingen, wenn Simic die Ökonomie im Blick behält, wenn er nicht mehr Poesie aus einer Situation herauszupressen versucht, als nun mal realistischerweise drin ist.

Aber seine Versenkung in den unwägbaren Augenblick hat eben bisweilen auch etwas Gemachtes. Ein bisschen zu selbstgewiss und preziös, beinahe geschwätzig illuminiert Roman Simic dann den ästhetischen Moment – und erzählt bloß noch in der Manier eines Raymond Carver.

Roman Simic: In was wir uns verlieben. Aus dem Kroatischen von Alida Bremer. Mit Audio-CD. Voland & Quist, Hamburg 2007. 224 Seiten, 18, 90 €

Frank Schäfer

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