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Christa Wolf

© dpa

Literatur: Kuckuck! Christa Wolfs Geburtstag

Die Akademie der Künste bedankte sich am Freitagabend bei Christa Wolf, deren 80. Geburtstag die Kollegen und die Stadt öffentlich zu feiern sich nicht nehmen ließen. Ihre Popularität ist ungebrochen.

Auf den Boden gekauert. Sich ins Licht reckend, allenfalls die Arme bewegt, als führten sie ein Eigenleben. Jammernd, verzweifelt, beschwörend. Dann wieder jubelnd nach den Sternen greifend, in dramatischer Steigerung nach Ravels „Bolero“: Eine getanzte, rein gestische Kassandra, Medea oder Medusa, leibhaftig und fassbar durch die Ausdruckstänzerin Arila Siegert.

Mit diesem Bild und Sinnbild zugleich bedankt sich die Akademie der Künste am Freitagabend bei Christa Wolf, deren 80. Geburtstag die Kollegen und die Stadt öffentlich zu feiern sich nicht nehmen ließen. Ihre Popularität ist, wie der Zustrom in die „alte“ Akademie am Hanseatenweg belegt, ungebrochen. Nur dass man ein wenig das junge literarische Berlin vermisst, das nachgeborene, das „von der Abbruchkante der Geschichte“, der Volker Braun Christa Wolfs Generation zuschlug, nichts oder noch nichts weiß.

Braun rühmt Wolfs beredte Zeitgenossenschaft, die Einspruch mit Anspruch verbindet in einem Werk, das seine Energie aus der Gemeinschaft mit den Nahestehenden bezieht. Eine „Gewissenhafte“, so der ehemalige Akademiepräsident Adolf Muschg, hätte man Christa Wolf in den früheren Sprachgesellschaften vielleicht genannt und wäre damit doch nicht erschöpft: Moral alleine macht schließlich keine Kunst, sondern nur der poetische Überfluss, der sich aus dem Zweifel speist.

Manchmal liegt solcher Überfluss unbemerkt in der Landschaft, in „vegetabilisierten Wolken“ etwa, für die sich Uwe Timm artig bedankt und die Familienfeier glücklich wieder aus dem Weihetempel holt. Statt Blumen bringen die Freunde Mitbringsel aus ihren Gärtlein der Poesie und Kunst mit, einen Geburtstagsstrauß, gebunden zwischen Buchdeckel mit dem Motto: „Sich aussetzen. Das Wort ergreifen“ (Wallstein Verlag). In den Kostproben wiederholen sich oft die Begegnungen mit dem Roman „Kindheitsmuster“: Das bleibt. Er habe ihr ihre eigene Geschichte näher gebracht, so die Übersetzerin Nicole Bary, „es lebt in mir“.

Vielleicht sind es diese „Lektüreerfahrungen in der Zeit“, von denen Herausgeberin Therese Hörnigh spricht, die den Zugang der älteren Generation von dem der jüngeren unterscheidet. Christa Wolf im Deutschunterricht ist kaum mehr vergleichbar mit der aufgeregten Kollektivlektüre einer „Kassandra“, die in den Achtzigern angesichts atomarer Bedrohung erschütterte. Solche Verehrung, so die jüngere Kollegin Tanja Dückers, gelte heute als „uncool“.

Der „warme Luftstrom“, über den sich Christa Wolf so sichtlich freut wie über die getanzte Medea, wird auch wieder kühlere Zonen erreichen. Von ihrem in Japan lebenden Enkel habe sie drei Verse geschenkt bekommen, erzählt die Jubilarin: Einen Kuckuck, der nicht singt, könne man entweder umbringen, ihn zum Singen bringen oder eben warten, bis er sich wieder dazu entschließt. Sie wünsche sich dann, dass man ihm aufmerksam zuhören und mit Verständnis begegnen möge. Wir sind uns sicher, dass er bald wieder und unmissverständlich aus dem Wald ruft.

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