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Jonathan Littell

© dpa

Literatur: Umstrittener NS-Roman auf dem Ladentisch

In Frankreich ein Kassenschlager: Der umstrittene NS-Roman des Autors Jonathan Littell liegt ab Samstag in deutschen Buchhandlungen zum Kauf bereit. Der Roman provoziert mit detaillierten Schilderungen der Judenverfolgungen und der Homosexualität eines SS-Offiziers.

In einer Startauflage von 120.000 Exemplaren kommt an diesem Samstag (23. Februar) Jonathan Littells umstrittener NS-Roman "Die Wohlgesinnten" auf den deutschen Buchmarkt. "Knapp 90 Prozent sind bereits vorbestellt", sagte Carsten Sommerfeldt, Sprecher des Berlin Verlags.

Das Berliner Verlagshaus hatte Ende 2006 die deutschen Rechte für den Roman erworben, der erstmals in französischer Sprache herausgekommen ist und in Frankreich inzwischen rund 800.000 Mal verkauft wurde. In dem fast 1400 Seiten langen Roman schildert der 40-jährige Littell die Lebensgeschichte des homosexuellen SS-Offiziers Max Aue, der seit 1943 dem persönlichen Stab von SS-Führer Heinrich Himmler angehört. Bereits vor Auslieferung hat der Roman für heftige Diskussionen in den deutschen Feuilletons gesorgt.

Der aus einer jüdischen Familie stammende Littell - sein Vater Robert ist Bestseller-Autor von Spionageromanen - wurde in New York geboren und wuchs in Frankreich auf. Vor dem Erscheinen von "Les Bienveillantes", so der Originaltitel, war Littel selbst in Literaturkreisen unbekannt.

Grausamkeiten von Massenhinrichtungen bis zu Vernichtungslagern

In dem mit dem bedeutendsten franzöischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichneten Roman schildert Aue als Ich-Erzähler die Verfolgung der Juden an den Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs mit all den Grausamkeiten von den Massenhinrichtungen in der Ukraine bis zu den Vernichtungslagern. Der SS-Offizier wird von Littell als Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter beschrieben. Aue ist homosexuell, hat aber eine inzestuöse Beziehung zu seiner Zwillingsschwester.

Das Buch provoziere, sagte Verlagssprecher Sommerfeldt. "Wir werden abwarten müssen, wie die Öffentlichkeit reagiert." Mit dem Vorabdruck von 120 Seiten der "Wohlgesinnten" in den vergangenen Tagen hat die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erstmals auch einen "Reading Room" im Internet eingerichtet, in dem Experten täglich mit Lesern diskutieren. "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher hob die "unerhörte Präzision" von Littells Roman hervor. Es sei ein "großes" Buch, aber kein Jahrhundertroman. Kein Gefallen fand dagegen "Die Zeit" an dem Roman. Kritikerin Iris Radisch sprach von "widerwärtigem Kitsch".

Dieses Jahr noch in Israel

Der Berlin Verlag hat nach Medienberichten für die deutsche Lizenz des Buches um die 400.000 Euro bezahlt. Verlagssprecher Sommerfeldt wollte diese Zahl nicht kommentieren. Das Buch wurde bisher außerdem ins Spanische, Italienische und Katalanische übersetzt. Littell lebt derzeit in Barcelona. Dieses Jahr soll das Buch noch in Israel auf Hebräisch erscheinen. Die englische Ausgabe war für Ende des Jahres geplant.

Littell will am 28. Februar sein Buch in Berlin im Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit vorstellen. Der Grünen-Politiker aus Frankfurt ist als Kind jüdischer Eltern ebenfalls in Frankreich groß geworden. Der TV-Sender Arte strahlt am selben Tag um 22.40 Uhr eine Dokumentation über das Buch unter dem Titel "Die Wohlgesinnten - Auf den Spuren eines literarischen Phänomens" aus. (mpr/dpa)

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