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© Mirella Weingarten/Verlag

Roman: Andreas Schäfer: Mördermacht

Andreas Schäfers neuer Roman "Wir vier" erzählt davon, wie wichtig es ist, mit dem Tod eines anderen Frieden zu schließen.

Mit dem Sterben, forderte Elias Canetti im Zuge seines lebenslangen Wüten gegen den Tod, darf man keinen Frieden schließen – nicht mit dem eigenen, nicht mit dem der anderen. Die Lebenden, so Canetti, sollten „jedermanns Tod wie den eigenen hassen“. Wie schwer es ist, den Tod als ständigen Begleiter mit sich zu führen, wie wichtig, mit dem Tod eines anderen Frieden zu schließen, ihn zu akzeptieren, das erzählt Tagesspiegel-Autor Andreas Schäfer auf beeindruckend behutsame Weise in seinem dieser Tage veröffentlichten zweiten Roman „Wir vier“.

Aus den vier Mitgliedern der Familie Wilber sind drei geworden, als der junge Jakob kurz nach dem Abitur in Frankfurt in der Nähe der Konstablerwache umgebracht wird. Sein Vater Lothar, ein Pilot, der daraufhin seinen Beruf aufgibt, seine Mutter Ruth und sein Bruder Merten versuchen auf unterschiedlichste Weise, Jakobs Tod zu verarbeiten, ohne dass ihnen das gelingen würde.

Jeder von ihnen kapselt sich ab, jeder von ihnen macht sich allein an die Trauerarbeit, von Andreas Schäfer aus der stetig wechselnden Perspektive seiner drei Hauptfiguren in kurzen Abschnitten erzählt. Nichts wirkt dabei übermäßig forciert oder zielt auf dramatische Effekte ab. Schäfers Prosa ist eine angenehm zurückgenommene, fast kühle, zuweilen leuchtende. Einfühlsam stellt er dar, wie die Familie Wilber hin- und hergerissen ist zwischen der Bewältigung der Gegenwart und den Erinnerungen an Jakob und seine Ermordung. „Wir vier“ lebt so auch von einer gewissen Spannung. Denn erst nach und nach erschließen sich die Umstände von Jakobs Tod, wird klar, dass er in Geldnöten war und unter Druck gesetzt wurde: „Merten war davon überzeugt, dass sein Vater noch immer nicht wusste, in was Jakob damals hineingeschlittert war, aber bei seiner Mutter war er sich nicht sicher.“

Beide jedoch, Vater wie Mutter, kommen gerade auch vom Täter nicht los. Dem Vater entfährt es einmal: „Ja, ich will ihn umbringen. Ich kann nichts dagegen tun.“ Und die Mutter begegnet dieser und ihrer eigenen Hilflosigkeit, indem sie eines Tages auf den Gedanken kommt, ein Treffen mit dem Mörder ihres Sohnes im Gefängnis zu arrangieren und diesem ins Gesicht zu schauen. Diese Begegnung gehört zu den Höhepunkten in Andreas Schäfers Roman, der nicht zuletzt davon erzählt, dass ein Weiterleben nach einem Trauma wie diesem möglich sein muss, der Tod trotz allem nicht die Herrschaft über die Hinterbliebenen übernehmen darf. Tsp

Andreas Schäfer: Wir vier. DuMont Verlag, Köln 2010. 188 Seiten, 18,95 €.

Buchpremiere heute Abend, 20 Uhr, LCB am Wannsee, Eintritt 6€/4€

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