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Kultur: Mazedonien: Führungszeugnis

Die Füchse werden in Mazedonien kein einfaches Terrain vorfinden. Gefahr droht von überall.

Die Füchse werden in Mazedonien kein einfaches Terrain vorfinden. Gefahr droht von überall. Von Löwen und Wölfen etwa oder von Männern in schwarzen Hemden. Nein, es geht nicht um eine Fabel aus der Tierwelt. Die Nato hat ihre Nachfolgemission in Mazedonien mit dem Kodenamen "Amber Fox" versehen. Die Erntehelfer können abziehen. Die Operation "Wesentliche Ernte" ist am Mittwoch pünktlich nach Ablauf des 30-tägigen Mandats abgeschlossen worden. Die 4500 Nato-Soldaten haben das Plansoll von rund 3300 Rebellenwaffen sogar leicht übertroffen.

Die Füchse sind nun am Zug. Die voraussichtlich rund 1000 Mann starke und von der Bundeswehr angeführte Truppe wird die zivilen Beobachter der EU und der OSZE im feindlichen Umfeld schützen müssen. Die Beobachter müssen die Umsetzung des Friedensprozesses überwachen. Konkret sollen sie die Rückkehr von mehreren zehntausend vertriebenen Mazedoniern in die mehrheitlich albanischen Regionen im Westen des Landes begleiten. Die Beobachter müssen aber auch dem Innenminister auf die Finger schauen, damit es beim Einmarsch seiner Polizeitruppe in die ehemaligen Rebellenhochburgen nicht zu Übergriffen kommt. Die zivilen Beobachter und ihre Beschützer von der Nato-Mission "Amber Fox" könnten dabei leicht selber zwischen die Fronten geraten.

Die "Löwen" sind die neueste Sondereinheit von Innenminister Ljube Boskovski. Andere Einheiten mit paramilitärischem Charakter unter seinem Kommando nennen sich "Tiger" oder "Wölfe". Deren Mitglieder sind zum Teil einfache Zivilisten, die kurzfristig mit Waffen ausgestattet worden sind. Die Truppe hat der Hardliner in der Regierung speziell für die Rückkehr in die Rebellengebiete im Westen und Nordwesten des Landes zusammengestellt.

Die Sondereinheit der "Löwen" soll die Hochburgen der UCK nach Waffen und Rebellen durchkämmen. Nach der Ernte der Nato werde er seine eigene Ernte durchführen, hat Boskovski bereits angedroht. Konflikte sind vorprogrammiert. Denn zumindest die bekannteren unter den Schwarzhemden der UCK können, selbst wenn das versprochene Amnestiegesetz noch Wirklichkeit wird, vor der Polizei des Innenministers nicht sicher sein. Die Kämpfer in den schwarzen Uniformen haben auch für diesen Fall vorgesorgt: Weder in Mazedonien noch bei der Nato macht man sich Illusionen, dass die Rebellen nach wie vor über versteckte Waffenlager verfügen und das Arsenal jederzeit wieder aufgestockt werden kann.

Im Gegensatz zur Entwaffnungsaktion der Nato ist der politische Teil des Friedensprozesses im Vielvölkerstaat zudem noch lange nicht abgeschlossen. Nur mit jeweils einer Stimme mehr als der notwendigen einfachen Mehrheit haben die Abgeordneten diese Woche die 15 Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit im Grundsatz unterstützt. Die nächste höhere Hürde muss das Reformpaket bis zum 4. Oktober nehmen: Die 120 Abgeordneten müssen die Verfassungsänderungen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Kraft setzen.

Wie ein Damoklesschwert hängt zudem die Diskussion über ein Referendum über dem Friedensprozess. Das Parlament wollte diese Woche weiter beraten, ob das gesamte Paket einer Volksabstimmung unterbreitet werden soll. Ein Referendum hätte eine mehrmonatige Verzögerung zur Folge, mit allen Risiken für die "Füchse" der Nato. Albanerführer Arben Xhaferi hat bereits vor einem Referendum gewarnt, das seiner Ansicht nach den Friedensprozess sabotieren und den Konflikt neu schüren würde.

In der mazedonischen Mehrheitsbevölkerung gilt das international vermittelte Friedensabkommen noch immer als "Kapitulation vor dem albanischen Terrorismus". Die Medien des Landes tun wenig, um den Versöhnungsprozess voranzubringen. Die Zeitung "Nova Makedonija" wirft den Abgeordneten diese Woche in einem Kommentar vor, mit den Verfassungsänderungen das mazedonische Volk um seine Identität gebracht zu haben. In den Zeitungen werden wilde Gerüchte über Verbindungen zwischen der UCK und dem Islamistenführer Osama bin Laden als Tatsachen präsentiert. Das kleine Mazedonien müsse sich gleich wie die mächtigen USA gegen den internationalen Terrorismus wehren.

Von Frieden und Versöhnung also noch keine Spur. Mazedonien droht zum Kollateralschaden der Anschläge in den USA zu werden. Die nach wie vor gefährlich schwelende Krise im Vielvölkerstaat ist seit dem 11. September aus den Schlagzeilen geraten. Die Nato begibt sich nach der Waffenernte mit einer stark reduzierten Truppe in den eigentlich kritischen Abschnitt im Friedensprozess. Die slawisch und albanisch stämmigen Mazedonier haben allerdings sehr unterschiedliche Erwartungen in die Operation "Amber Fox": Die Albaner sehen die Truppe als Garantin für ihre Sicherheit. Die Mazedonier versprechen sich Unterstützung bei der Rückkehr der Regierungstruppen in die ehemaligen Rebellengebiete.

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