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Surreale Visionen. „Fleck des Teufels“ nennt die Mutter ihren Sohn Koffi (Marc Zinga).

© Grandfilm/Wrong Men

„Omen“ im Kino: Der böse Fluch aus Europa

Regisseur Baloji erzählt in „Omen“ von der (alb)traumhaften Rückkehr eines jungen Kongolesen in seine frühere Heimat. Ein spannendes Spiel mit Selbstbildern und Identitäten.

Koffi erwartet mit seiner Freundin Alice Zwillinge. Nervös bereitet er sich seit Monaten auf den Besuch bei seiner Familie in der Demokratischen Republik Kongo vor; er hat Swahili gelernt und versucht, all den antizipierten Erwartungen gerecht zu werden. Gemeinsam mit Alice hat er sogar Geld für eine Aussteuer gespart.

Doch seine Freundin ist weiß: Sie wird den Erwartungen der Familie nicht entsprechen. Vor der Abreise hat Koffi, gespielt von Marc Zinga, noch einen epileptischen Anfall und durchlebt dabei Flashbacks aus seiner Kindheit.

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Die erste Begegnung mit der Familie erweist sich dann wie erwartet als triste Veranstaltung. Am Flughafen wartet das Paar zunächst vergeblich darauf, abgeholt zu werden, auch der Empfang ist unterkühlt. Auf seiner Begrüßungsfeier möchte Koffi das Baby einer seiner Schwestern kurz halten, doch die ist wenig begeistert und schaut hilfesuchend die Mutter (Yves-Marina Gnahoua) an. Als er auch noch Nasenbluten bekommt, fallen ein paar Tropfen auf das Gesicht des Kindes: In den Augen der abergläubischen Familie ein Anzeichen, dass er den Jungen verflucht hat.

Diese ruppige Wiederbegegnung mit der Gesellschaft seiner Kindheit ist der Auftakt einer bizarren Odyssee in „Omen“, dem Langfilmdebüt des belgisch-kongolesischen Künstlers, Modedesigners und Regisseurs Baloji. Seine Familie nennt Koffi „Zabolo“ – eine Bezeichnung, die er Alice (Lucie Debay) später mit „Fleck des Teufels“ übersetzt. Nach dem Zwischenfall mit dem Nasenbluten sieht sich Koffi in einer Vision von seiner Familie umgeben, die Gericht über ihn hält.

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Neben der Welt der Alltagswirklichkeit existiert in „Omen“, der vergangenes Jahr auf den Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte, eine magische Welt der Rituale. In Koffis Visionen spiegelt sich ungebrochen die Wirklichkeit. Seine Mutter redet kein Wort mit ihm, die Familie will weder mit ihm noch mit Alice etwas zu tun haben. Und der Vater, der in einer Mine arbeitet, bleibt abwesend.

„Omen“ ist gegliedert in vier Porträts; drei davon verwebt Baloji in die Geschichte um Koffis Rückkehr. Das erste ist ihm selbst gewidmet, zwei weitere drehen sich um das Straßenkind Paco (Marcel Otete Kabeya) und Koffis Schwester Tshala (Eliane Umuhire). Paco gehört zu den „Goonzs“, einer Gruppe von kleinkriminellen Straßenkindern, die in rosa Kleidern und Tutus als Wrestlergruppe auftreten.

Ihre Kostüme werden sich im Laufe des Films als Referenz an Pacos als Kind entführte Schwester herausstellen. Auch der Junge leidet unter epileptischen Anfällen. Tshal wiederum lebt polyamourös mit wechselnden Partnern und wird dafür von der Familie verachtet. Sie plant, nach Durban in Südafrika zu ziehen.

Die Farben und Kostüme versprechen Freiheit

Zwei Kurzfilme gingen Balojis Langfilmdebüt voran, vor allem „Zombies“ aus dem Jahr 2019 sorgte auf internationalen Festivals für Furore. Wie in diesen frühen Arbeiten findet er auch in „Omen“ beeindruckende Bilder, die einerseits eine magische Welt eröffnen und sich andererseits konsequent jenem Schwelgen in der Armut verweigern, die so viele filmische Afrika-Bilder bis heute prägt. Stattdessen lässt Baloji Farben auf der Leinwand explodieren und zelebriert in Kostümen eine Freiheit, die den Porträtierten sonst versagt bleibt.

Auch als schließlich Koffis Vater stirbt, bleibt dieser immer noch unsichtbar; seine Leiche wird nie aus der Mine geborgen. Die Brüder des Vaters setzen Mutter Mujila vor die Tür; ihr ist das letzte Porträt gewidmet. In seinem Figurenpanoptikum zeigt Baloji Menschen, die in unterschiedlicher Form mit den Moralvorstellungen, Erwartungen und Gendernormen der Gesellschaft hadern.

So entwirft „Omen“ ein komplexes Bild der Strategien, mit denen die Protagonist:innen um die Freiheit ringen, selbstbestimmt zu leben. Baloji bricht darin auch mit weiterhin in afrikanischen Gesellschaften vorherrschenden Selbstbildern – nicht zuletzt im Kontrast zu Europa. Anders als in CJ Obasis nigerianischem Mysteryfilm „Mami Wata“, der ebenfalls Konflikte zwischen Tradition und Moderne behandelt, besteht eine der Optionen in „Omen“ darin, an andere Orte zu gehen – ob wie Koffi nach Europa oder wie Tshala nach Südafrika. Es ist eine ernüchternde Perspektive.

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