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Hiphop-Ausstellung in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt.

© Schirn Kunsthalle Frankfurt 2024/Emily Piwowar/NÓI Crew

Große Hip-Hop-Ausstellung in Frankfurt: Pose, Party, Protz und weibliches Empowerment

Die Frankfurter Kunsthalle Schirn holt aus den USA die Hip-Hop-Schau „The Culture“ nach Europa und zeigt, wie stark auch Frauen das globale Popkultur-Phänomen prägten. 

Harte Bässe, leicht bekleidete Frauen, Mittelfinger und Drogen, Texte über Bitches und Luxusautos. Sind nicht alle Rapper mit ihren Goldketten sexistische Machos? Klar, der Hip-Hop spielte von Anfang an mit männlichen Klischees, doch die Idee zu diesem weltweiten Popkultur-Phänomen stammte von einer Frau.

Der Teenager Cindy Campbell lud im August 1973 zu einer Party in den Gemeinschaftsraum eines Sozialbaus in der Bronx. Das Ende der Schulferien stand vor der Tür, sie hatte Geburtstag, und weil sie kein Geld hatte, verlangte sie Eintritt: 25 Cent für die Mädchen, die Jungs zahlten 50 Cent. Den Betrag machte Kult-Rapper Curtis James Jackson später zu seinem Künstlernamen.

Cindy gestaltete Flyer und Einladungskarten, bat ihren älteren Bruder, sich um die Musik zu kümmern und kleidete ihn ein, damit er wie der Star aussah, der er noch werden sollte. Unter dem Pseudonym Kool Herc legte er erstmals Platten in der von ihm erfundenen Break-beat-Technik auf – der Hip-Hop-Beat war erfunden. Er war ein Symbol für das Lebensgefühl junger, armer People of Color, die besonders häufig unter den Zuständen in den sozialen Brennpunkten litten.

Kleidung, Accessoires und Schuhe, davon vieles selbst gestaltet, haben von Beginn an die Kultur des Hip-Hop geprägt.
Kleidung, Accessoires und Schuhe, davon vieles selbst gestaltet, haben von Beginn an die Kultur des Hip-Hop geprägt.

© imago/Hannelore Förster/IMAGO/Hannelore Foerster

Von der Schulfeier zum Milliardenbusiness

Was als harmlose Schulfeier in New Yorks ärmstem Stadtteil begann, ist heute eine milliardenschwere Kulturindustrie, aber auch Ausdruck eines wachsenden sozialen und politischen Bewusstseins. Überall auf der Welt sehen viele Künstler, vor allem Schwarze, darin immer noch ein Statement gegen Rassismus und Ungleichheit. Und immer mehr junge Frauen verstehen Hip-Hop als Kampf um ihre eigene Identität sowie selbstbestimmte Sexualität.

In São Paulo bemalte der Brasilianer Zéh Palito zu Beginn seiner Karriere meterlange Mauern mit seinen Motiven, auf Leinwand setzt er seine Hip-Hop-Youngsters gerne vor knallbunte Hintergründe. Farben sind für ihn „ein Ausdruck von Emotionen“. Seine Bilder begreift er als Reflexion über sein Leben als Schwarzer, ob in Brasilien, Afrika oder den USA.
In São Paulo bemalte der Brasilianer Zéh Palito zu Beginn seiner Karriere meterlange Mauern mit seinen Motiven, auf Leinwand setzt er seine Hip-Hop-Youngsters gerne vor knallbunte Hintergründe. Farben sind für ihn „ein Ausdruck von Emotionen“. Seine Bilder begreift er als Reflexion über sein Leben als Schwarzer, ob in Brasilien, Afrika oder den USA.

© Courtesy the artist, Simões de Assis and Luce Gallery/Zéh Palito

Es ist den US-Museen in Baltimore und Saint Louis, wo die Ausstellung startete, zu verdanken, dass ausschließlich Kuratorinnen die Auswahl der rund 100 Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Videos sowie Fashion und Vinylplatten trafen. Der Anteil von Frauen ist daher erheblich. Auch Matthias Ulrich, Kurator in der Schirn, verzichtet auf Arbeiten mit homophoben, antisemitischen, sexistischen oder gewaltverherrlichenden Botschaften.

Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus

Einig sind sich alle über die Wirkungsmacht des Hip-Hop auf die Gesellschaft. Bis ins 21. Jahrhundert, und darum geht es in dieser Schau fast ausschließlich, sind Künstlerinnen und Künstler davon beeinflusst, die Genres reichen von der Musik über Tanz, Alltagskultur bis zu Kunst, Mode und politischen Bewegungen. US-Kuratorin Andréa Purnell spricht gar von einem „Kanon“, der die Emanzipation von der systematischen Unterdrückung Schwarzer Menschen förderte.

Glitzernde Grillz mit politischem Slogan: „Black Power“ von Hank Willis Thomas, 2006.
Glitzernde Grillz mit politischem Slogan: „Black Power“ von Hank Willis Thomas, 2006.

© Barrett Barrera Projects/Hank Willis Thomas

Vor knallbunten Wänden sind die Exponate in sechs Kapiteln unterteilt, inspiriert von den Schlagworten Pose, Marke, Schmuck, Tribut, Aufstieg und Sprache. Hehre Kunst und kommerzielle Alltagsware mischen sich dabei munter – die mit Logos versehenen Perücken mit Reißverschluss der Rapperin Lil‘ Kim glänzen in einer Vitrine neben einem Foto des New Yorkers Hank Willis Thomas, auf dem ein Zahnschmuck zum politischen Slogan wird: Das Blingbling der Grillz auf den Zähnen eines Rappers ist aus den Buchstaben „Black Power“ geformt.

Der Einfluss von Hip-Hop ist bis heute immens

Man erfährt auch, wie sehr schwarze Musikerinnen – von Salt ‘n’ Pepa bis Lauryn Hill, von Missy Elliott, Lil’ Kim bis Cardi B und Megan Thee Stallion – in der Hip-Hop-Musikszene brillieren und bildende Künstlerinnen das Genre als Bildquelle nutzen: In dem Video „Extensions“ filmte die Multimedia-Künstlerin Yvonne Osei in Ghana 2018 eine Dorfbewohnerin, die gebannt auf ein Smartphone guckt, während zwei Stylisten ihr Haar zu meterlangen, kobaltblauen Zöpfen flechten.

Auf dem Plakat zur Ausstellung zeigt eine junge Frau in roter Fliegerjacke die kalte Schulter. In dem hyperreal gemalten Bildnis porträtierte sich die 25-jährige schwarze US-Künstlerin Monica Ikegwu selbst. „Auch wenn man nicht aktiv an der Hip-Hop-Kultur teilnimmt, ist ihr starker Einfluss nicht zu leugnen“, erklärt sie. „Er ist in unser Leben eingeflossen, bis hin zu der Kleidung, die wir heute tragen.“

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