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Kultur: Richtung Osten

Zu Gast in der Berliner Galerie Plan B: das rumänische Kunstprojekt Club Electro Putere.

Bei Elektroputere fertigen sie noch immer Straßenbahnen und Transformatoren. Der ehemalige Staatsbetrieb im südrumänischen Craiova hat die Privatisierung überstanden. Im neuen Vorstand sitzen nun auch Deutsche. Auch sonst liegt Craiova gedanklich viel näher, als es auf der Landkarte aussieht – das zeigt die Ausstellung „Elektroputere“ in der Berliner Galerie Plan B. Denn im ehemaligen Kulturhaus des Betriebs haben der Kurator Adrian Bojenoiu und der Künstler Alexandru Niculescu 2009 ein Zentrum für zeitgenössische Kultur gegründet, den Club Electro Putere, kurz CEP. Seitdem herrscht zwischen Berlin und Craiova reger Austausch.

Erst jüngst stellte Daniel Knorr dort aus. Weitere Künstler, die Arbeiten im CEP zeigten, sind in Berlin sehr präsent und beteiligten sich an „Romanian Cultural Resolution“, einer von den CEP-Gründern kuratierten Überblicksschau zur Gegenwartskunst in Rumänien und der rumänischen Diaspora, die 2010 in der Leipziger Baumwollspinnerei zu sehen war. Ein zusätzliches Archiv hatte auf der vergangenen Venedig-Biennale Premiere. Von alldem berichtet die Ausstellung der Berliner Galerie Plan B. Drei Teile hat die Schau. Das historische, gestalterisch schwächste Kapitel erinnert mit Filmen und Fanzines an die Punk- und Antifa-Bewegung, in der die Kinder der Elektroputere-Angestellten in den 90er Jahren den Aufstand probten. Das künstlerische Kapitel dagegen holt das Erbe in die Gegenwart. So sind in einem fabrikeigenen Metallständer Fotos aus der über 60-jährigen Geschichte des Betriebs beredt arrangiert. Und im Kabinett läuft ein Film aus dem Kulturhaus: eine Kamerafahrt durch CEP, Theatersaal und das Fitnessstudio, das dort ebenfalls untergebracht ist.

Höhepunkt aber ist, trotz abweisender Präsentation auf Flachbildschirmen mit Kopfhörern, das stetig wachsende Archiv für Interviews mit Kunstakteuren aus Rumänien. Die Aufnahmen bewegen. Mal ironisch, mal skeptisch, mal kämpferisch berichten die Künstler von der Rolle, die ihr Geburtsland und Arbeitsorte wie Bukarest, Paris, New York, Berlin für ihre Laufbahn spielen sowie vom Einfluss ihrer Erfahrungen aus Rumänien auf ihr Werk. Und immer bleibt „der Westen“ ihr Bezugspunkt, das Gegenüber, das große Andere. Damit widersprechen die Interviewten der populären Ansicht, im globalisierten Kunstbetrieb sei Herkunft egal, und legitimieren den anachronistisch anmutenden nationalstaatlichen Zuschnitt von „Romanian Cultural Resolution“.

Die Interviews bewegen aber auch aus einem anderen Grund. Die Aussagen von Ioana Nemeş sind bereits Testament: Die Künstlerin starb 2011 nur 32-jährig in New York. Ein anderes Gespräch konnte nicht mehr stattfinden: Ebenfalls in New York ist im September Serge Spitzer im Alter von 61 Jahren gestorben. Claudia Wahjudi

Galerie Plan B, Potsdamer Str. 77–87; bis 15. Dezember, Di–Sa 12–18 Uhr

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