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Tag 9 bei der Berlinale: Schneller Sex ist unambivalent

Eine junge Berlinerin, die beim Shopping gecastet wird. Ein junger Flüchtling, der mit seiner ganzen Gastfamilie schläft. Im Kino kann man alle sein, die oder der man ist.

Eine Kolumne von Robert Ide

Nach seinem Orgasmus gibt es Szenenapplaus, das Kino grölt. „Glückwunsch, so schnell war noch keiner fertig“, ruft ein halberwachsener Junge in den Saal, seine Schulklasse grölt. Wer Rambazamba bei den Berlinale-Filmen erleben will, ist in der Nachwuchsreihe Generation genau richtig: Hier wird kommentiert, gepfiffen und vor Begeisterung getrampelt. „Das Kino lebt auf TikTok weiter“, hat Regielegende Martin Scorsese gesagt. Filme machen fortwährend Träume. Hauptsache, es geht schnell.

Der Macker wird ausgelacht

„Ellbogen“ ist ein großartiger Film aus der TikTok-Generation, hier speziell einer Berliner Generation, die sich immer entscheiden soll zwischen ihrer Heimat und der Herkunft ihrer Eltern. Hazal ist so eine erwachsen werdende Frau, die sich kraftvoll verzweifelt durch all die Ambivalenzen kämpft, die ihr zwischen Wedding und Istanbul gestellt werden. Ihr erstes Mal aber ist unambivalent – lang erwartet, dann viel zu kurz. Genau das erkennt das junge Publikum sofort. Es lacht nicht Hazal aus, sondern den Macker, der zu blöd ist, einem Mädchen eine schöne Zeit zu schenken und damit sich selbst.

Erstaunlich viele Sexfilme sind diesmal dabei. Damit man sie erkennt, heißen sie „Sex“ oder „Supersex“. In „The Visitor“ schläft sich ein Flüchtling in London durch seine ganze Gastfamilie von der Tochter bis zum Vater, durchgespielt vom Pornostar Bishop Black. Die nächtliche Vorstellung ist unterlegt von Techno-Rhythmen und flackernden Lichtern. Dazu der explizite Hinweis: „Epilepsiewarnung: Stroboskopeffekt“. Mir wären andere Warnungen eingefallen.

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Hey, hier kommt der Alex. Einfach mal shoppen gehen in Berlins Steinsteppe und schon fragt einen jemand: „Willst du in unserem Film mitspielen?“ – „Tja, warum eigentlich nicht“, antwortet also Melia Kara. Ein gutes Jahr später spielt die jungerwachsene Frau die Rolle der Hazal in „Ellbogen“.

Nach der Vorstellung im wie immer zu kalten Haus der Kulturen der Welt folgt eine erwärmende Fragerunde. „Wie war es für dich, dich zum ersten Mal in einem Film zu sehen?“, fragt ein halberwachsener Junge, seine Schulklasse nickt ihm anerkennend zu. „Ich hab gedacht: Bin ich wirklich dieses Mädchen?“, antwortet Melia. Die Berlinerin will es jetzt als Schauspielerin herausfinden. Szenenapplaus.

Genau das ist der Kern der Berlinale: Sei einfach alle, die du bist. Am Potsdamer Platz verteilt eine Frau Umarmungen. „Komm her, du kannst eine gebrauchen“, sagt sie zu mir. Hauptsache, es geht nicht schnell.

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