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In Jeppe Heins Arbeit „Today I feel like ...“ dürfen Kinder und Erwachsene ihre Stimmung malen.

© Ephra/Mathias Völzke

Was hat das mit mir zu tun?: Kinder besuchen berühmte Künstler im Atelier

Die Berliner Initiative Ephra ermöglicht einen lebendigen Zugang zur Gegenwartskunst. Die Ausstellung „Gedanken Spielen Verstecken“ gibt jetzt eine Kostprobe.

Warum hängen Künstler vertrocknete Äste an die Decke, warum basteln sie riesengroße Zungen, legen sie Spiegel auf den Boden? Und was hat das alles mit mir zu tun? Solche Fragen dürfen Kinder beim Projekt Ephra unterwegs stellen. „Es gibt wenig direkten Kontakt zwischen Kindern und zeitgenössischen Künstlern“, sagt Rebecca Raue.

Die Initiative Ephra hat Raue vor fünf Jahren gegründet und es sich zum Ziel gemacht, Schüler direkt in die Ateliers von Künstlern zu schicken. Im Rahmen dieses Projekts eröffnet an diesem Wochenende die Ausstellung „Gedanken Spielen Verstecken“. Sie soll einen Eindruck davon geben, wie Ephra funktioniert. Und natürlich geht es auch darum, das Projekt langfristig zu finanzieren, neben Volkswagen und der Andreas Gerl Stiftung weitere Sponsoren zu begeistern. 

Viele Kinder haben im Alltag keinen Kontakt mit Kunst

Wenn man sieht, wie die Kinder durch das Kunst Haus Mitte rennen, wie sie begeistert einzelne Werke erklären und sich gemeinsam auf dem runden Sitzpolster vor einer Videoarbeit fläzen, versteht man sofort, was dieses Projekt bewirkt: Aufgeschlossenheit, Neugierde, ein Gefühl der Verbundenheit. Ephra hat inzwischen etwa 260 Kinder zu fast 70 Künstlerinnen und Künstlern ins Atelier geführt. International bekannte Namen wie Karin Sander, Christian Jankowski, Tomás Saraceno und Jeppe Hein, Venedig Biennale-Teilnehmerin Ilit Azoulay, Künstlerinnen wie Ayumi Paul, Dafna Maimon und Ali Kaaf, die in Berlin leben und international ausstellen.

Die Buchstaben gehören zu einem Werk von Christian Jankowski.

© Ephra/Mathias Völzke

Ephra arbeitet mit Schulen zusammen, überwiegend mit sogenannten Brennpunktschulen, aber nicht nur. Die Kinder, in kleinen Gruppen von zwölf, lernen zunächst Interviewtechniken und das Filmen bevor sie im Laufe eines halben Jahres jeweils zu vier Künstler:innen ins Atelier gehen.

Am Eröffnungstag der Ausstellung ist die Klasse der Hausotter Grundschule aus Reinickendorf da, die Kinder kommen aus den Stufen 4 und 6, sind zwischen acht und zwölf Jahren alt. Was ihnen in den Ateliers am besten gefallen hat? „Dass man fragen kann, warum Künstler bestimmte Dinge gemacht haben.“ „Die vielen schönen Farben“, sagen sie. Die meisten wollen trotzdem nicht gleich Künstler werden.

Wahrscheinlich sehen sie bei den Besuchen auch, dass ein Künstlerleben durchaus stressig sein kann. „Als die Kinder zu mir kamen, war grade viel los, wir waren mitten in den Vorbereitungen für eine Ausstellung“, sagt der Konzeptkünstler Christian Jankowski, der oft performative Elemente nutzt und Zuschauer und Personen aus kunstfernen Berufen in seine Werke einbezieht.

Die Kinder durften sich zunächst selbständig in seinem Studio umschauen, erzählt er. Über die Fotos an der Wand entspann sich eine Diskussion über seine Denkmal-Arbeiten, bei denen der Künstler Statuen in Warschau von Gewichthebern anheben ließ. Die Kinder sollten überlegen, wem sie selbst ein Denkmal setzen würden und dies im Außenbereich des Studios auch gleich aufführen. Fotos dieser Aktion sind jetzt Teil der Ausstellung.

Im Atelier werden die Künstler von den Kindern interviewt

Die Multimedia-Künstlerin Claudia Hill hat bunte Stoffflaggen aufgehängt, in der Ecke unter der Heizung hat sich ein Spinnennetz gebildet.: eine Arbeit vom zwischen Kunst und Wissenschaft agierenden Künstler Tomás Saraceno. Dazu gehört ein Vertrag, der Ausstellungseinrichtungen dazu verpflichtet, mit der Spinne zusammenzuarbeiten. Auch dieses Werk war schon in großen Institutionen ausgestellt, genauso wie Ilit Azoulays Fotocollagen, die Fundstücke aus israelischen Häusern zeigen.

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„Es geht explizit nicht um Kunst, die eigens für Kinder gemacht wird“, betont Rebecca Raue. Es geht auch nicht ums Basteln und nicht darum zu lernen, wer Picasso war. Die Kinder sollen mit denjenigen Werken in Kontakt kommen, die die Künstler sonst auch in Museen oder Ausstellungshäusern zeigen. Sie sollen üben zu sprechen, sich über Wünsche, Ängste und Ziele austauschen. Beziehungsfähigkeit trainieren. Die Kunst bietet dazu die besten Anknüpfungspunkte.

In Paula Ankes Installation „Amazones-Racines“ kann man es sich gemütlich machen.

© Ephra/Mathias Völzke

Allerdings wissen die Kinder auch gemütliche Sitznischen zu schätzen, wie in Paula Ankes dunklem Zauberwald. Der lange, geschwungene Kicker des Künstlers Wolfgang Karl May wird sofort bespielt, genauso wie Ulrich Vogels Installation „Limelight“, bei der man mit einem Schattenmikrofon eine Performance hinlegen kann. Spaß und tiefgründige Gedanken – sie schließen sich nicht aus.

Im Treppenhaus des Kunst Haus Mitte, einem der wenigen noch verbliebenen Altbauten in der neu bebauten Europacity, hat jahrelang der Hund des Hausbesitzers an der Wand entlanggeschubbert. Die braunen Spuren an der Treppenwand hat Konzeptkünstlerin Karin Sander zum Kunstwerk gemacht. Sie wurden bewusst nicht übertüncht und Sander hat zusätzlich ein Foto des Vierbeiners, einem Pudel, aufgehängt.

So ergibt sich ortsspezifische Kunst, die sehr gut zum konzeptionellen Werk der Künstlerin passt: die konkrete Umgebung wird thematisiert, Alltägliches neu sichtbar gemacht. Auch Humor gehört dazu. Über all diese Aspekte können Kinder und Erwachsene trefflich diskutieren. Und sie lernen dabei: Kunst hat auch mit mir zu tun.

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