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Deutsche Kammerochester: Weltflüchtig

Das Deutsche Kammerorchester lässt im Kammermusiksaal einen jungen Schostakowitsch erklingen - und einen euphorisierten Tschaikowsky nach Italien reisen.

Als Dmitri Schostakowitsch sein erstes Klavierkonzert schrieb, war er 27 Jahre alt. Man hört es: Voller Überschwang, glückssüchtig, optimismussatt sind die vier Sätze. Der katastrophale Einschnitt seins Lebens, der Prawda-Verriss der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, war noch fern, Stalins Damoklesschwert noch nicht zu spüren. Schon die Besetzung dieses Klavierkonzerts dreht aller Tradition eine Nase: ein reines Streichorchester – und eine Trompete! Das Deutsche Kammerorchester (Leitung: Gabriel Adorján) hat sich die finnische Pianistin Maria Helena Ollikainen in den Kammermusiksaal eingeladen – statt des an der Hand verletzten Jacques Ammon. Mit der Trompete holt Florian Dörpholz den Jazz ins Stück. Noch recht rustikal klappert man sich gemeinsam durch den ersten Satz, das Lento gelingt besser – vielleicht, weil die Stimmen hier stärker geschieden sind und Ollikainen viel Platz für Solopassagen bekommt, die sie mit intimem, in sich gefalteten Klang ausfüllt. Im teils irrwitzigen Tempo der beiden Schlusssätze behält sie einen kühlen Kopf, meißelt prägnant jede Phrase heraus.

In Richard Strauss’ im Kriegsjahr 1941 entstandenem, fast obszön weltflüchtigen Vorspiel zur Oper „Capriccio“ verschlingen sich die süßlichen Streicherkantilenen des Orchesters so innig ineinander, dass sie sich gegenseitig im Weg stehen. Die Phrasen wollen nicht atmen, wirken eng. Genauso im Streichsextett „Souvenir de Florence“ (Fassung für Streichorchester) des von einem Italienaufenthalt euphorisierten Peter Tschaikowsky. Die Höhepunkte kommen entweder undefinierbar verwaschen oder übertrieben scharf – und glänzen dann nicht, sondern gleißen. Kein befreites Dahinströmen, auch nicht in den fugierten Passagen, dafür viel Bemühen, viel kalter, fast militärischer Jubel. Der eher ans Italien Mussolinis denken lässt als an das Goethes.

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