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Brandenburg: Landnahme: Ministerium mit Eigenleben? Spitzenbeamte weisen Verantwortung von sich

Potsdam - Die Aufklärung des Brandenburger Enteignungsskandals um Bodenreformland kommt voran – mit unangenehmen Nebeneffekten für die heutige Landesregierung. Für die Linken und die CDU stellt sich nach der Vernehmung von Ex-Ministerin Wilma Simon (SPD) und Finanzabteilungsleiter Helmut Baesecke im Untersuchungsausschuss die Frage, ob der Apparat des Finanzministeriums ein Eigenleben führen konnte – bis in die Amtszeit des heutigen Ministers Rainer Speer (SPD) hinein.

Potsdam - Die Aufklärung des Brandenburger Enteignungsskandals um Bodenreformland kommt voran – mit unangenehmen Nebeneffekten für die heutige Landesregierung. Für die Linken und die CDU stellt sich nach der Vernehmung von Ex-Ministerin Wilma Simon (SPD) und Finanzabteilungsleiter Helmut Baesecke im Untersuchungsausschuss die Frage, ob der Apparat des Finanzministeriums ein Eigenleben führen konnte – bis in die Amtszeit des heutigen Ministers Rainer Speer (SPD) hinein. „Da tanzen offenbar die Puppen auf dem Tisch“, sagt Linke-Obmann Christian Görke. Und CDU-Obmann Dierk Homeyer sagt, es sei ein „Skandal, wie man alles auf Mitarbeiter abwälzt.“

Nach den beiden Zeugenaussagen war die Ministeriumsspitze angeblich weder an der vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügten Überführung von rund 10 000 Grundstücken in Landesbesitz in den Jahren 1999/2000 noch an dem 2007 gestarteten Revisionsverfahren beteiligt, das dann zur BGH-Rüge führte. Alles, so die Botschaft, habe die Fachebene entschieden – und dort waren es im Zweifelsfall niedrige Chargen. So will Baesecke als Abteilungsleiter etwa mit den brisanten Haftungsfreistellungen „nichts zu tun“ gehabt haben. Mit denen stellte das Ministerium damals die Kreise von allen Risiken frei, wenn sie auf Order Potsdams trotz „mangelhafter Erbensuche“ zehntausend Grundstücke (Wert rund 100 Millionen Euro) auf das Land übertrugen. Man möge dazu bitte, so Baesecke, den Referatsleiter befragen – der ihm unterstellt war.

Baesecke verteidigte die damalige Landnahme: Schließlich habe sich das Land verpflichtet, „Grundstücke sofort herauszugeben, wenn sich später ein berechtigter Erbe meldet.“ Allerdings gebe es angesichts der komplizierten Bodenreform-Eigentumsverhältnisse „einen Bodensatz, wo es nicht möglich ist, Erben zu finden.“ Nach dieser Lesart betraf das in Brandenburg 10200 fremde Grundstücke (von 82 000), die das Land übernahm. In Sachsen waren es 280 Immobilien (von 85 000), die der Freistaat an sich übertrug.

Wer in der Brandenburger Regierungs- und Ministerialhierarchie für diese Praxis damals die Grundsatzentscheidung fällte, blieb immer noch unklar. In den Akten finden sich laut Görke „deutliche Hinweise“, dass im Gegensatz zu den Erklärungen Simons und Baeseckes die Spitze doch beteiligt war. Aufmerksam registrierte der Ausschuss aber noch etwas anderes: Baesecke wies ausdrücklich darauf hin, Simons Nachfolgerin Dagmar Ziegler (SPD), jetzt Sozialministerin, im Jahr 2000 über die Bodenreform-Problematik und laufende Gerichtsverfahren in diesem Zusammenhang „mehrfach“ unterrichtet zu haben. thm

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