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Lichtenberg: Autogrammstunde mit Stasi-Chef

Mielkes Vize Großmann soll auf einem öffentlich geförderten Fest auftreten. Die SPD wirft der Bezirksbürgermeisterin „unverantwortliches Verhalten“ vor.

Die Stasi, tendenziell von gestern, ist in Lichtenberg immer für einen aktuellen Streit gut. Jedes Mal geht es darum, wie die stärkste Macht im Bezirk, die Linke, und ihre Bürgermeisterin Christina Emmrich mit Auftritten alter Stasi-Vormänner umgehen. Dabei haben kleine Anlässe stets große Wirkung.

Den Anlass hat diesmal der Lichtenberger Buchhändler Eckhard Petersohn geliefert. Vor seinem Laden sollen am heutigen Freitag beim bezirklich geförderten Stadtteilfest acht Autoren des Eulenspiegel-Verlages lesen, darunter Werner Großmann, der letzte Chef der Stasi-Auslandsaufklärung und Stellvertreter Erich Mielkes. Sein Erinnerungsbuch „Bonn im Blick“ erschien jüngst in überarbeiteter Form. Großmann ist also ein aktueller Autor und in Lichtenberg, wo viele seiner ehemaligen Mitarbeiter zu Hause sind, sowieso von permanenter Aktualität.

Der Umstand bringt die Lichtenberger SPD in Wut. Deren heftige Kritik hatte die Bezirksbürgermeisterin wegen ihrer Indifferenz im Umgang mit ehemaligen Stasi-Größen schon im März 2006 auf sich gezogen. Damals ging es um die Markierung des Geländes, auf dem sich einst das Stasi-Untersuchungsgefängnis befand – heute die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Als während einer Diskussion über den Umgang mit der Geschichte ein paar alte Stasi-Größen provozierten und Zeitzeugen verspotteten, wirkte die Bürgermeisterin hilflos. Kritiker führten das auf ihr Bemühen zurück, kurz vor der Wahl diejenigen nicht zu verprellen, die der SED-Nachfolgepartei ihre Stimme geben sollten. Jetzt wirft ihr der Lichtenberger Abgeordnete Andreas Köhler, ein Zeuge des Eklats von 2006, unverantwortliches Verhalten vor. Sie „stolpert mit ihrer eigenen langjährigen SED-Mitgliedschaft von einem Aufarbeitungsskandal zum nächsten“, so Köhler.

Manfred Becker, der SPD-Fraktionschef in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung, droht damit, die Zusammenarbeit mit der Linken in der Haushaltspolitik zu beenden. Der Bezirk müsse mit der Vergangenheit „sensibel“ umgehen, sagt er. Becker will nun wissen, was Emmrich unternommen hat, seitdem sie von der Lesung weiß. Außer Großmann soll bei dem Fest auch der ehemaligen Sprecher der Aktuellen Kamera, Klaus Feldmann lesen und – zu Beckers nicht geringem Zorn – Günter Herlt, eine Größe des DDR-Fernsehens und für Becker eines der wichtigen „Gesichter der DDR-Verdummungsmaschine“.

Wie sich Beckers Zorn auf die Bezirkspolitik auswirkt, war am Donnerstag nicht abzusehen. Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich war gestern so wenig zu erreichen wie der Fraktionschef der Linken, Christian Petermann.

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