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Peer Steinbrück auf dem Landesparteitag der NRW-SPD zusammen mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

© dpa

Nach der Nominierung: Peer Steinbrück fordert "Beinfreiheit"

Seit einem Tag ist Peer Steinbrück SPD-Kanzlerkandidat und schon sorgt er sich um seine Freiheit. Vielleicht auch zu Recht, denn Jusos und Linke in der SPD machen Druck.

Peer Steinbrück, der frisch ausgerufene Kanzlerkandidat der SPD, sorgt sich schon am ersten Tag ein wenig um seine Freiheit. Vertreter des linken Parteiflügels sowie die Jusos haben ihn und die Parteispitze insgesamt zur Kompromissbereitschaft in der Rentenfrage aufgefordert. Sie erwarten von Steinbrück ein Bekenntnis zu einem linken Profil der SPD. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD hat er seiner Partei klar gemacht, dass er nicht alles mitmachen werde. "Ihr müsst dem Kandidaten an der einen oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit einräumen", sagte er. Gleichzeitig rief er die SPD zur Geschlossenheit auf. "Diese Bundestagswahl ist nur durch die Mobilisierung der Anhänger zu gewinnen." Wenn die SPD nicht geschlossen stehe, werde es schwierig den Wahlkampf durchzustehen. Es gehe dabei aber nicht nur darum, die Parteimitglieder zu überzeugen, sondern alle Wähler. "Man muss 62 Millionen Wählerinnen und Wähler erreichen", betonte der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Die Vertreter des linken Parteiflügel haben sich zwar schon vor der Bekanntgabe am Freitag an einen Kanzlerkandidaten Steinbrück gewöhnt. Aber völlig zugeschüttet sind die Gräben noch nicht. Der Vorwurf Steinbrücks kurz nach der Wahlniederlage 2009, einige Funktionäre insbesondere auf dem linken Flügel würden sich verhalten wie "Heulsusen" , wirkt nach. Jetzt sehen aber auch die Parteilinken, dass man mit Steinbrück die größtmögliche Konfrontation zu Bundeskanzlerin Angela Merkel herstellen kann. Auch das Bankenpapier, welches Steinbrück vorgelegt hat, können die Parteilinken mit voller Überzeugung tragen. Trotzdem stecken sie früh das Feld ab. Insbesondere in der noch ungelösten Rentenfrage erwarten sie Bewegung.

Der Streit dreht sich um eine noch von Rot-Grün beschlossene Absenkung des Rentenniveaus im Jahr 2030 von derzeit 50 auf 43 Prozent. Das wollen die Vertreter der Parteilinken rückgängig machen. "Die Rentenfrage werden wir jetzt intensiv beraten, aber für uns ist klar: Das Rentenniveau darf nicht auf 43 Prozent fallen, weil das auch eine Frage der Leistungsgerechtigkeit ist", sagte der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel dem Tagesspiegel. Er fügte hinzu: "Die Zeit der Basta-Politik ist definitiv vorbei, und die Schärfung unseres Profils gerade im Bereich der Sozialen Gerechtigkeit muss weiter gehen." Dennoch begrüßt er die Wahl Steinbrücks. "Das ist ein Befreiungsschlag und löst die bleierne Schwere, die durch die Kandidatensuche auf der Partei lag, auf." Berlins SPD-Chef Jan Stöß hatte bereits am Freitag Bewegung in der Rentenfrage gefordert. Und auch die Jusos, die die größten Bauchschmerzen mit dem Kandidaten Steinbrück haben, setzen sich für eine Beibehaltung des Rentenniveaus ein. Juso-Chef Sascha Vogt erwartet eine Entscheidung in der Rentenfrage, die Steinbrück mittragen müsse. "Wir bleiben bei unserer Forderung, das Rentenniveau nicht auf 43 Prozent abzusenken. Die Partei muss sich in der Rentenfrage entscheiden, und diese Entscheidung muss Peer Steinbrück dann auch so oder so mittragen. In den Modus der Basta-Politik dürfen wir auf keinen Fall zurückfallen", sagte Vogt dem Tagesspiegel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte seine Partei vor einer Kehrtwende in der Rentenpolitik. „Das wichtigste ist, dass wir den Menschen, die schwer arbeiten und es schon heute nicht schaffen, bis 65 zu arbeiten, endlich von der Angst vor Rentenkürzungen befreien. 45 Jahre sind wirklich genug, um in Rente zu gehen. Wer mit 20 seine Ausbildung beginnt, kann mit 65 gehen.“ Gleichzeitig sagte Gabriel der „Bild“-Zeitung (Samstagsausgabe): „Die Politik muss alles dafür tun, dass das Rentenniveau nicht drastisch absinkt.“ Das erreiche man „am besten durch eine gute Wirtschaftspolitik und höhere Löhne und Gehälter“. Am Montag will Gabriel im SPD-Parteivorstand Kompromissvorschläge machen.

Einst herrschte zwischen Merkel und Steinbrück Harmonie - Bilder einer vergangenen Zeit:

Peer Steinbrück hat auf Landesparteitag der NRW-SPD eine rot-grüne Koalition als klares Ziel für den beginnenden Bundestagswahlkampf ausgegeben. "Es wird diese Bundesregierung in zwölf Monaten nicht mehr geben", sagte der 65-Jährige. Die SPD befasse sich nicht mit Szenarien, die sie nicht wolle. "Wir konzentrieren uns auf das Ziel, diese Bundesregierung mit den Grünen in einem Jahr abzulösen", fügte Steinbrück hinzu. Eine große Koalition mit der Union strebe er nicht an: "Wir setzten eindeutig auf Sieg und nicht auf Platz." Für einen Ministerposten in einer großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel stehe er nicht zur Verfügung, machte Steinbrück deutlich. "Ich bin nicht zu gewinnen für ein Kabinett Merkel."

Die Mehrheit der Deutschen hält laut einer Umfrage den früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück für einen guten Kanzlerkandidaten. Eine Blitzerhebung des ARD-Deutschlandtrends ergab, dass 58 Prozent der Bürger die Personalentscheidung der Sozialdemokraten befürworten. 21 Prozent waren nicht dieser Ansicht. Bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers läge allerdings die amtierende Regierungschefin Angela Merkel (CDU) klar vorne: 50 Prozent würden sich für sie entscheiden, nur 36 Prozent wollten Steinbrück wählen. Im Vergleich zur Umfrage im Juli verbesserte sich die Kanzlerin um fünf Prozentpunkte, Steinbrück fiel hingegen um den gleichen Wert.

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