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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Auf einem anderen Stern

Malte Lehming über die Kritik an SPD-Chef Kurt Beck

Gibt es gesunde Arroganz? Die Frage stellte sich heute beim Lesen der wöchentlichen "Stern"-Kolumne von Hans-Ulrich Jörges. Der Kollege liebt Klarheit, Pointen und Originalität. Dafür wird er geschätzt und geachtet. Doch diesmal ist seine Lust am Gegen-den-Strich-Bürsten stärker als das Gegen-den-Strich-Bürsten selbst. Man spürt den Vorsatz anzuecken - und ist vom Vorsatz überzeugt worden, nicht aber vom Anecken.

Worum geht's? Jörges hat bemerkt, dass Kurt Beck in den deutschen Medien nicht sonderlich gut abschneidet. Dafür macht der SPD-Chef natürlich nicht sich, sondern die Medien verantwortlich. Stichworte: Vernichtungsfeldzug, Mobbing, Herbwürdigung. Damit setzt Beck die auch von Gerhard Schröder fulminant praktizierte Medienschelte fort, der hinter seiner Abwahl ebenfalls Dunkelmänner und finstere Seilschaften witterte. Weil deutscher Journalismus stets auch die Tendenz zum Mea-Culpa-Journalismus hat, verfängt solche Schelte meist bei einem Teil der Kommentatoren, wie damals bei Schröder - so heute, siehe Jörges, bei Beck. Wer laut genug schimpft, findet halt Gehör.

"Das ist das Notsignal, der Protestschrei eines ehrenhaften Mannes, der seine Ehre besudelt sieht, seine Integrität beschädigt, sein Bild zertrümmert", schreibt Jörges mitfühlend über Becks Gram. Verantwortlich für die "mediale Zurichtung" seien "Häme" und "Arroganz" gegenüber Politikern aus der Provinz, die "nicht in der Hauptstadt leben, sondern in Landschaften, deren Bewohner Bier- und Weinfeste bevölkern statt Lesben- und Schwulenparaden". Jörges möge sich in der so oft belächelten Provinzhauptstadt Berlin mal umschauen: Hier gibt's mehr Bier- und Weinfeste als in der Pfalz, und der Regierende Bürgermeister kommt aus der tiefsten Tempelhofer Provinz: außen ein wenig Christopher-Street-Day, aber innen noch ganz "Rudi's Resterampe".

Als zweiten Beweis einer angeblich provinzfeindlichen Medienmeute führt Jörges den Umgang mit CSU-Chef Erwin Huber an. Der sei doch glatt bei einer Berliner Pressekonferenz gebeten worden, einmal "vier klare deutsche Sätze" zu sagen. Ein Ansinnen, das Jörges empört. Nun sei die Gegenfrage erlaubt, ob die Erwartung, dass ein deutscher Spitzenpolitiker mit üppigen Pensionsansprüchen in der Lage sein möge, vier klare deutsche Sätze zu formulieren, gerade in Zeiten der Globalisierung, die Jörges als Kriterium ebenfalls ausdrücklich betont, nicht durchaus ihre Berechtigung hat. Und ist es wirklich zu viel verlangt, dass der Frontmann der ältesten deutschen Partei, mit noch längst nicht erloschener Option auf die Kanzlerkandidatur, zumindest in wilder Phantasie beim G-8-Gruppenfoto neben Obama, Sarkozy und Medwedew an Statur irgendwie mithalten kann?

Jörges, das ehrt ihn, möchte sich für Beck nicht schämen. Wie sehr er es tut, merkt man an seiner Empathie für den Pfälzer. Er ist ihm näher, als ihm lieb ist. Darum fühlt er sich mitgetroffen, von dem, was er "Häme" und "Arroganz" nennt. Gibt es gesunde Arroganz? Vielleicht ja.

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