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Meinung: Da müssen sie durch

Aus Fehlern lernen: Warum der Westen Abbas’ Coup von oben nicht unterstützen sollte

Die Palästinenser nähern sich Schritt für Schritt einem ausgewachsenen Bürgerkrieg. Deshalb wird die Frage immer dringlicher, wen der Westen in diesem Machtkampf unterstützen will. Tony Blair, der gerade die besetzten Gebiete bereiste, hat eine klare Antwort: Mahmud Abbas, der palästinensische Präsident ist unser Mann, weshalb wir auch sein Neuwahlbegehren unterstützen sollten. Eine nahe liegende Position. Schließlich führt Abbas das moderate Lager an und ist Chef der Fatah-Bewegung, die einst das Abkommen von Oslo schloss, Israel anerkannte und am ehesten geeignet scheint, einen Frieden mit den jüdischen Nachbarn zu schließen. Hamas hingegen, die Partei von Premierminister Ismail Hanija, hat in jenem Jahr seit ihrer Wahl gezeigt, dass sie weder auf das Regieren vorbereitet war noch bereit ist, die Grundlagen von Friedensgesprächen zu akzeptieren. Wer sich jetzt also Abbas’ Forderung nach Neuwahlen anschließt, handelt damit im Interesse der Palästinenser, die am meisten unter der Unbeugsamkeit von Hamas leiden.

Diese Argumentation hat nur einen Schönheitsfehler: Sie ist im Kern undemokratisch. Hamas stellt die legitime Regierung und die Verfassung weiß auch nichts davon, dass der Präsident eigenmächtig Neuwahlen ansetzen könnte. Es wäre ein Rückfall in 60 Jahre verfehlter Politik, in denen der Westen immer gerne mit Autokraten in der Region kuschelte, Hauptsache, sie waren „unsere Bastarde“. Wenn der Westen jetzt also Abbas’ Coup von oben unterstützt, sendet er die klare Botschaft aus: Wir sind nur dann für Demokratie, wenn ihr auch die Guten – will heißen: uns Bequemen – wählt.

Zwar war es richtig, die Hamas zu boykottieren und Direktzahlungen an die Hanija-Regierung einzustellen, schließlich ermächtigt eine demokratische Wahl nicht dazu, die Regeln der internationalen Politik einfach über den Haufen zu werfen. Die Härten, die den Palästinensern daraus entstanden sind, hat auch nicht die internationale Gemeinschaft zu verantworten, sondern die Hamas-Regierung, der die Anti-Israel-Ideologie wichtiger war als das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung. Schuld trifft aber auch die Palästinenser selbst, schließlich haben sie gewusst, wem sie ihre Stimme geben. Dass die Europäer nicht einfach weitermachen konnten als sei nichts passiert, war klar.

Zwischen einem Zurückhalten von Subventionen und dem Sturz einer frei gewählten Regierung besteht aber ein wichtiger Unterschied. Die Palästinenser haben das Parlament für eine volle Legislaturperiode gewählt, die müssen sie nun auch aushalten.

Natürlich sollte der Westen moderate Politiker wie Abbas stützen. Das heißt aber nicht, all seine Pläne auch aktiv zu befördern. Das wichtigste Argument gegen seinen Coup ist ein realpolitisches. Denn so seltsam es angesichts des erodierenden Zustände gerade in Gaza auch klingen mag: Es könnte noch schlimmer kommen. Denn durch die Beteiligung an Wahlen und das Sich-Einlassen auf politische Spielregeln war Hamas ja wichtige Selbstbindungen eingegangen. Wer ihr jetzt in einem Akt der Willkür die legal erworbene Macht wieder nimmt, treibt Hamas zurück in die außerparlamentarische Opposition und den Untergrund. Und er macht damit jegliche Hoffnung zunichte, dass die Extremisten jemals zu einer moderateren Kraft werden könnten – so mager diese Hoffnungen sich nach einem Jahr Realislamismus auch ausnehmen.

Die Hamas strickt schon fleißig an einer Dolchstoßlegende, derzufolge Fatah und der Westen ihr das Regieren nicht erlaubt hätten, sie für ihre Unfähigkeit also gar nicht selbst verantwortlich sei. So einfach sollte man es den Islamisten aber nicht machen, das eigene Scheitern wegzuinterpretieren. Deshalb ist es besser, die Hamas erhält noch zwei oder drei Jahre, in denen sie entweder ihre Reformfähigkeit unter Beweis stellen kann – oder sich als Regierungspartei komplett diskreditiert. Dann können die Palästinenser sie immer noch ganz verfassungsgemäß abwählen.

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