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Meinung: Dialog der Lautsprecher

Es ist eine Demonstration des guten Willens. Hochrangige Vertreter aus 64 Staaten Europas und der muslimischen Welt kommen heute in Istanbul zusammen, um eines zu verhindern: Dass das neue Jahrtausend mit jenem Kampf der Kulturen beginnt, den der amerikanische Historiker Samuel P.

Es ist eine Demonstration des guten Willens. Hochrangige Vertreter aus 64 Staaten Europas und der muslimischen Welt kommen heute in Istanbul zusammen, um eines zu verhindern: Dass das neue Jahrtausend mit jenem Kampf der Kulturen beginnt, den der amerikanische Historiker Samuel P. Huntington vorhergesagt hat.

Nach dem Terroranschlag auf die USA war der Westen aufgewacht. Plötzlich sah man sich gezwungen, genauer auf die muslimische Welt zu schauen. Der Anblick war nicht erfreulich: In breiten Schichten der Bevölkerung ist der Westen zu einem negativen Zerrbild geworden. Er soll Schuld sein an der Misere der muslimischen Welt; an Armut und korrupten Regimen ebenso wie an der Unterdrückung der Palästinenser. Klischees werden aber auch im Westen gepflegt: Der Islam bleibe auf ewig unreformierbar; eine Aufklärung, wie es sie in Europa gegeben hat, sei unmöglich. Oder die unterschwellige Vorstellung, dass in jedem strenggläubigen Muslim das Potenzial zum Extremisten schlummere.

Da kann eine Begegnung wie in Istanbul nur hilfreich sein. In den Hintergrundgesprächen mit Vertretern von Iran und Irak können die Europäer zudem deutlich machen, dass sie nicht mehr hinwegsehen wollen über die Unterstützung von Terroristen und das Streben nach Massenvernichtungswaffen. Kann die Begegnung aber auch zu einem Dialog der Kulturen werden?

Es wäre ein Fehler zu glauben, ein Dialog der Politiker ersetze den Dialog der Gesellschaften. Außerdem hat das medienwirksame Händereichen einen heuchlerischen Aspekt: Nicht wenige der muslimischen Autokraten lenken sozialen Protest gegen das eigene Regime gerne auf den Westen um. Indem die staatlich kontrollierten Medien den Westen zum Buhmann machen, nehmen sie Druck von der eigenen Regierung.

So wie der Westen sich kritisch fragen muss, ob die von ihm bestimmten Regeln des Welthandels wirklich der ganzen Welt nutzen, müssen die Regierungen muslimischer Staaten sich vorwerfen lassen, am Bild vom "bösen Westen" kräftig mitgepinselt zu haben. Erst wenn es in der muslimischen Welt freie Medien mit der Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Kritik an der Regierung geben wird, kann es zu einem wirklichen Dialog der Kulturen kommen. Istanbul könnte immerhin den Anfang markieren - eines langen Heilungsprozesses.

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