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Meinung: „Die ganze Bande im Bundestag“

Sein Herz schlägt links – wenigstens gilt in dieser Hinsicht das gedruckte Wort. Beim gesprochenen Wort wird’s bisweilen schon schwieriger, denn bei den rhetorischen Hieben Oskar Lafontaines ist die Richtung nicht immer ganz eindeutig auszumachen.

Sein Herz schlägt links – wenigstens gilt in dieser Hinsicht das gedruckte Wort. Beim gesprochenen Wort wird’s bisweilen schon schwieriger, denn bei den rhetorischen Hieben Oskar Lafontaines ist die Richtung nicht immer ganz eindeutig auszumachen. Gelegentlich sind es Rundumschläge und sie funktionieren nach dem Rezept: Alle hinein in einen Sack und draufhauen, es wird schon der Richtige dabei sein. Eine „Volksweisheit“ ist das, damit kennt Lafontaine, der Volkstribun, sich aus. Vergangene Woche, in der Turnhalle des rheinland-pfälzischen TuS 1890 Schöneberg-Kübelberg (den Ort gibt’s tatsächlich), kübelte Lafontaine unter diesem Rubrum so despektierlich wie flächendeckend über die Kollegen, „die ganze Bande im Bundestag“, alles „Plapperfritzen“.

Nein, das ist nicht nett, hätte den rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf mutmaßlich aber nicht weiter belebt, hätte Lafontaine nicht auch noch den Begriff „Schweinebande“ verwendet. Ein Journalist der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) ist sicher, der Linksparteiler habe damit die anderen im Bundestag vertretenen Parteien gemeint. Lafontaine selbst will indes damit auf jene Unternehmen gezielt haben, die nach „exorbitanten Gewinnen die Leute rausschmeißen“. In der LVZ findet sich der Begriff „Schweinebande“ in Anführung, zum eindeutigen Beleg fehlt das komplette Zitat.

Bloß ein Hörfehler? Oder doch Interpretationssache? Lafontaines Version ist Kapitalismuskritik für die Schenkelklopfer-Fraktion, die LVZ-Variante ist Fundamentalkritik am deutschen Parlamentarismus. Beides funktioniert auf der Klaviatur: Ihr da oben, wir hier unten. Lafontaine beherrscht sie aus dem Effeff. Hätte er die Parteien gemeint, hätte er in rhetorisch bemerkenswerter Nähe zu den Sprücheklopfern am rechten Rand gesurft – wieder einmal.

Eines ist Oskar Lafontaine nicht: Er ist kein Worthülsenweitwerfer. Dazu ist er zu klug. Er weiß um die Wirkung von Parolen. Er weiß um ihre Haltbarkeit im öffentlichen Raum. Wenn er zu Parolen greift, dann will er auch Botschaften transportieren. Im Bundestagswahlkampf 2005 hat er den Begriff „Fremdarbeiter“ benutzt, wochenlang hat sich eine Diskussion daran entzündet, in denen er in immer gleichen Redewendungen seine Kapitalismuskritik erläutern konnte. Es war die zentrale Botschaft im Wahlkampf der Linkspartei – und es reichte, stärkste Oppositionskraft im Bundestag zu werden.

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