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Der Streit um die Rentenreform geht weiter.

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Die Volksparteien und die Rentenreform: Nah beieinander – und doch weit entfernt

Die Vorstellungen von SPD und CDU zur Reform der Rente liegen gar nicht weit auseinander, das zeigt der Beschluss der SPD auf ihrem Parteikonvent. Trotzdem ist ein Konsens nicht in Sicht. Das ist problematisch, denn so gerät die Reform halbherzig. Und damit wird eine große Chance vertan.

Da geht doch was. Dieses Gefühl hatten nicht wenige, als CDU und SPD im September flott nacheinander ihre Ideen für eine Rentenreform präsentierten – und sich dafür sogar verhalten gegenseitig lobten. Es sei gut, dass die SPD „die Gerechtigkeitslücke mit ähnlichen Mitteln angehen“ wolle, sagte damals Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel konzedierte der CDU-Politikerin zumindest im Nachhinein, dass man über ihr Konzept durchaus hätte „diskutieren können“.

Tatsächlich sind die Berührungspunkte unübersehbar. Beide Volksparteien wollen die Renten von langjährig versicherten Geringverdienern aufstocken. Beide setzen auf einen leichteren Zugang zu Erwerbsminderungsrenten, bessere Bewertung von Kindererziehungszeiten, flexibleren Renteneintritt. Und bei der Frage, wie hoch die Mindestrente in etwa ausfallen muss, nennen beide exakt dieselbe Summe: 850 Euro.

Da müsste doch was gehen. In all dem Rentengezänk zwischen Union und FDP auf der einen, SPD und Linkspartei auf der anderen Seite, wünscht man sich eine entschiedene Politik über Parteigrenzen hinweg. Die Probleme sind bekannt und benannt: Niedriglöhne, drohende Altersarmut, die Demografie.

Nicht zufällig sind fast alle großen Rentenreformen der Vergangenheit in breitem Konsens erfolgt – obwohl die Parteien damals ideologisch viel weiter auseinander waren. Doch alle wussten – und alte Hasen wie Horst Seehofer erinnern daran –, dass es kaum ein anderes Thema gibt, bei dem es so auf politische Verlässlichkeit und Lösungskompetenz ankommt. Die gesetzliche Rentenversicherung lebt vom Vertrauen ihrer Versicherten. Davon ist in den Streitereien der vergangenen Monate schon viel zu viel verspielt worden. Die Ministerin trägt daran einen nicht unerheblichen Anteil.

Dennoch geht absehbar nichts zwischen den Volksparteien. Nur unter größten Verrenkungen hat sich die SPD auf ein Konzept verständigt, das am Sonnabend alle abnicken konnten – die Agenda-Verteidiger um den Kanzlerkandidaten ebenso wie die Linke, die sich von dem Vermächtnis der Ära Schröder am liebsten komplett verabschiedet hätte.

Mit ihrem Abwarte-Kompromiss bei der Rente mit 67 und künftigem Rentenniveau haben sich die Genossen jetzt erst einmal verausgabt. Bloß nicht bewegen, lautet die Devise. Beinfreiheit für Angebote in Richtung Union hat da keiner mehr.

Bei den anderen ist es ähnlich. Leyen hat große Mühe, die Ihrigen hinter sich zu bekommen. Von dem, was eventuell mit der SPD kompatibel wäre, musste sie sich – und muss sie sich womöglich noch weiter – wegbewegen. Beispielhaft dafür: die Kriterien für die Rentenaufstockung. Leyen wollte als Voraussetzung dafür 30 Beitragsjahre, inzwischen ist sie bei 40. Ob am Ende für bedürftige Rentner wirklich 850 Euro herauskommen, ist nicht nur wegen der renitenten FDP ungewiss.

Wenn die Rente in dieser Legislaturperiode noch reformiert wird, dann wohl im Parteienstreit. Der Preis dafür ist Halbherzigkeit. Wie es aussieht, wird gerade eine Chance vertan.

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