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An Angela Merkel verzweifeln gleich drei Spitzenpolitiker der SPD: Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.

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SPD-Troika: Drei Männer, ein Dilemma: Angela Merkel

Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier wollen die Kanzlerin ablösen. Doch die Troika hat ein Problem, meint Malte Lehming: Angela Merkel wird in der Krise immer beliebter.

Nicht nur unter Kindern gelten klare Fairnessregeln. Zwei gegen einen, das ist fies. Drei gegen einen, das ist noch fieser. Und drei Jungs gegen ein Mädchen, das ist ganz fies und feige. Doch ob fies oder feige oder beides zugleich: Wenn drei Männer gegen eine Frau antreten, lässt sich die Sache auch anders betrachten. Denn unwillkürlich drängt sich die Frage auf, ob diese Konstellation womöglich daran liegt, dass die Frau einfach bärenstark ist und sich die Männer alleine mäuschenschwach fühlen.

Die drei Mäuschen der SPD – Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Parteichef Sigmar Gabriel und Ex-Außenminister (und Fraktionschef) Frank-Walter Steinmeier – wollen möglichst lange als Triumvirat gegen Angela Merkel opponieren. Das kann man verstehen. Jeder von ihnen gleicht bestimmte Schwächen der jeweils anderen aus. Steinbrück kann gut reden, aber kaum ein Genosse mag ihn. Gabriel kann einen, aber nicht brillieren. Steinmeier hat Gravität, ist aber langweilig. Deshalb versuchen sie, als Kollektiv das Publikum über ihre individuellen Schwächen hinwegzutäuschen. Die Troika, ein aller Erfahrung zum Trotz offenbar unverzichtbarer Bestandteil sozialdemokratischer Tradition – von Willy Brandt, Herbert Wehner und Helmut Schmidt bis zu Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping –, wird unverdrossen als Sinnbild für Geschlossenheit und Stärke propagiert, ist aber in Wahrheit das Eingeständnis des Fehlens einer Führungspersönlichkeit.

Die lachende Vierte heißt Merkel. Denn an dieser Kanzlerin verzweifeln die drei. Ob Wulff-Debatte oder Guttenberg-Debakel, ob FDP-Misere oder Koalitionskräche am Fließband, ob hektisch vollzogener Atomausstieg oder die gern etwas wehleidig inszenierte Heimatlosigkeit vieler Konservativer in der Union: An Merkel perlt alles ab. Sie bleibt beliebt. Würde der Bundeskanzler direkt gewählt, läge sie derzeit mit 45 Prozent vor Steinbrück mit 33 Prozent. Bei Gabriel und Steinmeier sähe es aus SPD-Sicht noch düsterer aus. Außerdem profitiert auch die Union inzwischen von Merkels Topwerten und liegt solide bei 35 Prozent.

Was soll die SPD dagegen tun? Beim Klausurtreffen des Bundesvorstands an diesem Wochenende in Potsdam bleibt diese Frage wahrscheinlich unbeantwortet. In den zentralen Themen deutscher Politik – Afghanistan, Europa, Rechtsextremismus – wäre ein Ausscheren aus der großkoalitionären Solidarität zu riskant. In Krisenzeiten wird taktisch motiviertes Stimmverhalten vom Wähler nicht goutiert. Das schließt inhaltliche Neupositionierung grundsätzlicher Art aus.

Aber mit welchem Thema sonst kann eine sich moderat gebende SPD gegen eine sozialdemokratisierte Kanzlerin antreten? Atomausstieg, Mindestlohn, Rechtsextremismus, Finanztransaktionssteuer: „Ick bün al dor!“, frohlockt Merkel und überlässt den Genossen das Mäkeln an Details.

Auch die europäische Schuldenmisere hat Merkel in innenpolitische Münze verwandelt. Auf großer Bühne brilliert sie als Retterin des alten Kontinents, präsentiert ihre Heimat als letzte Triple-A-plus-Stabil bewertete Nation mit sprudelnden Steuereinnahmen, niedriger Arbeitslosigkeit und solider Exportwirtschaft. Zu Hause dagegen vermittelt sie mit mahnenden Worten an die Schuldenländer das wohlige Gefühl, die Deutschen davor zu schützen, grenzenlose Zahlmeister zu sein, die für die Fehler der anderen büßen. Und weil kaum ein Bürger den Unterschied zwischen 20 und 200 Milliarden Euro wirklich begreift, fallen die Widersprüche dieser Selbstdarstellung nicht ins Gewicht.

Drei Männer, ein Dilemma. So schwindet für die SPD sogar die Hoffung auf einen Machtwechsel 2013. Rot-Grün, die einzige problemfreie Alternative, hat nach dem Zwischenhoch der Öko-Partei keine Mehrheit. Auch auf die weitere Wilderei der Piraten im rot-grünen Milieu wird man achten müssen. Ein Dreierbündnis, ob mit Linkspartei oder Piraten, wäre selbst in nicht krisenhafter Zeit höchst fragil. Wenn aber eine solche Kamikazekoalition ausscheidet, bleibt nur die Wahl zwischen erneut Juniorpartner in einer großen Koalition unter Merkel oder weiter opponieren (gegen Schwarz-Grün).

Prunk, Protz und Pathos mögen die Deutschen nicht. Sie wollen unprätentiösen Wohlstand, der durchaus auch zum Wohle anderer eingesetzt wird. Die Kanzlerin entspricht dieser Erwartung. Sie und die Krise sind eins geworden. Und wer über die Grenzen schaut – zu Nicolas Sarkozy oder Barack Obama –, ist ganz froh über ihre zurückgenommene, strebsame, fleißige, biedere Art. Vielleicht können sich Steinbrück, Gabriel und Steinmeier ja bloß nicht entscheiden, wer das Duell in zwei Jahren verlieren soll.

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