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Meinung: „Ein einseitiger Abzug ist kein Weg zum Frieden“

Vielleicht wünscht sich die Welt noch mal Ariel Scharon zurück. Dann jedenfalls, wenn sein interner Herausforderer Benjamin Netanjahu ihn aus dem Feld schlagen, Spitzenkandidat des Likud und bald wieder Israels Premierminister werden sollte.

Vielleicht wünscht sich die Welt noch mal Ariel Scharon zurück. Dann jedenfalls, wenn sein interner Herausforderer Benjamin Netanjahu ihn aus dem Feld schlagen, Spitzenkandidat des Likud und bald wieder Israels Premierminister werden sollte.

So weit ist es noch nicht. Aber alle Zeichen stehen in Israel auf Neuwahlen. Gestern hat die Arbeitspartei angekündigt, sich im November aus Scharons Kabinett zurückziehen zu wollen. Schließlich waren die Linken nur in die Regierung eingetreten, um den Rückzug aus Gaza und Teilen der Westbank sicherzustellen. Ende dieses Jahres oder Anfang 2006 könnte es dann zu Neuwahlen kommen. Im politischen Betrieb Israels zweifelt niemand daran, dass der ehemalige Ministerpräsident, Ex-Außen- und Ex-Finanzminister dann gegen Scharon antreten wird.

Netanjahu ist das Stehaufmännchen der israelischen Politik. Nach dem desaströsen Ende seiner Amtszeit als Premier (1996–99) hätte niemand einen Schekel auf den smarten Wirtschaftsfachmann gewettet, der vor seiner Politikerlaufbahn Berater bei „Boston Consulting“ war. Aber Netanjahus Eloquenz, sein vergleichsweise attraktives Äußeres und seine guten Kontakte nach Amerika haben ihn bald wieder zurück in die Politik geführt. Seit seinem Rücktritt Anfang August ist klar, dass Netanjahu Scharon rechts überholen will. Und obwohl eine große Mehrheit der Israelis Netanjahu weiter misstraut, hat er doch viele Likudmitglieder hinter sich. 47 Prozent würden Netanjahus Kandidatur laut einer Umfrage der Zeitung „Haaretz“ unterstützen, Scharon kommt nur auf 30 Prozent. Und so reißen die Spekulationen nicht ab, dass Scharon eine eigene Partei gründen könnte, falls ihn seine Partei nicht aufstellt.

Beide Politiker verkörpern das Paradox der Rechten, die ihre beste Zeit stets in der Opposition haben – wenn sie sich als Hardliner gegen die angeblich zu große Nachgiebigkeit des jeweiligen Regierungschefs profilieren können. Als Premier sieht die Welt dann anders aus. So wie Scharon sich zum Rückzug aus Gaza entschloss, um internationalen Druck zu mindern, hatte Netanjahu 1998 dem Wye-Abkommen zustimmen müssen, das die Übergabe von weiteren 13 Prozent der Westbank an die Palästinenser vorsah. Wie heute Scharon war Netanjahu damals Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt, weil er zu nachgiebig sei.

Als Finanzminister hat sich Netanjahu einen Ruf als harter Sanierer erworben. Mit schmerzhaften Einschnitten ins soziale Netz, mit Privatisierungen und einem drastischen Zurückfahren der Ausgaben ist es ihm gelungen, Israel aus der Rezession zu führen – um den Preis, dass 1,5 Millionen Israelis unter die Armutsgrenze sanken. Am meisten hatten die häufig weniger gut ausgebildeten orientalischen Juden unter dieser Politik zu leiden. Und die waren stets Netanjahus treueste Wähler.

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