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Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Ein Zwischenruf zum Neoliberalismus: Kampf ohne Gegner

Der Wohlfühl-Sozialismus ist wieder da. Aber auch er wird scheitern, wenn er das einzige politische Modell bleibt

Als der Kommunismus Anfang der 90er Jahre zusammenbrach, dachten alle, nun breche das goldene Zeitalter des Kapitalismus an. Seit die Finanzkrise 2008 offenbart hat, wozu der Marktfundamentalismus führen kann, glauben viele, dass nun wieder eine neue Ära begonnen hat: die des staatlich verordneten Teilens und Verteilens. Die Kapitalisten hätten zu viel Unheil gebracht, als dass man ihnen nur eine Träne nachweinen könne, finden die Verfechter dieser neuen Form des Wohlfühl-Sozialismus.

Die traditionelle Linke wollte den Reichen nehmen, um den Armen zu geben. Darüber sind die Sozialisten neuen Typs hinweg. Sie belasten lieber die Mitte der Gesellschaft, um vermeintlich höhere Ziele zu erreichen, selbst wenn dabei diejenigen profitieren, die ohnehin privilegiert sind. Die Rente mit 63 kommt der männlichen Facharbeiter-Elite aus Westdeutschland zugute – bezahlt wird sie von Frauen, Geringverdienern und Teilzeitbeschäftigten, die nicht ununterbrochen erwerbstätig waren. Die Energiewende soll der Umwelt nutzen, in Wahrheit zahlt die Masse der Stromverbraucher und Mieter an die meist besser gestellte Schicht der Immobilieneigentümer und die Subventionsempfänger aus der Öko- und Energie-Industrie.

Dabei profitieren die Verfechter der neuen Verteilungsideologie davon, dass das neoliberale Paradigma vorerst von der politischen Bildfläche verschwunden ist. Wo es kein alternatives politisches Modell gibt, gibt es auch keine Herausforderung, gute Politik zu machen. CDU, SPD, Grüne und Linke, sie alle teilen eine Überzeugung: Der öffentliche Sektor darf wachsen, weil er es besser kann. Die Steuereinnahmen wachsen schneller als die Wirtschaft insgesamt. Den Zuwachs denjenigen zurückzugeben, die bei jeder kleinen Lohnerhöhung steigende Steuerlasten schultern müssen, gilt als völlig ausgeschlossen. Schlimmer noch: Wer darauf verweist, dass die Mitte der Steuerbürger den überproportionalen Zuwachs finanziert, wird als Verfechter der Privilegien reicher Steuerhinterzieher in die Ecke gestellt. Aus dem vermeintlich Guten aber wird nie die beste politische Lösung, wenn es kein Gegenmodell gibt, gegen das es sich beweisen muss.

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