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Wäre es für Bundespräsident Gauck nicht besser gewesen, Putin bei einem direkten Aufeinandertreffen mit seiner Kritik zu konfrontieren?

© AFP

Gaucks Absage an Sotschi: Ein Bärendienst für die Paralympics

Joachim Gauck verhält sich nicht klar, sondern lässt zu viel Raum für Deutungen - auch die Deutung, er suche einen bewussten Affront mit Wladimir Putin. Als Bürger kann er sich das leisten. Als Staatsoberhaupt nicht.

Auf den ersten Blick war das doch wirklich ein Signal, oder? Joachim Gauck reist nicht nach Sotschi zu den Olympischen Winterspielen. Heißt: Der Bundespräsident zeigt es dem russischen Präsidenten mal so richtig, zeigt ihm, was ein Bürgerrechtler von einem Bürgerverächter hält.

Aber ach, so war es dann wohl doch nicht gemeint. Erstaunlich schnell hat das Präsidialamt eine Geste, die wahrscheinlich eine sein sollte, in Teilen relativiert. Und dann so ein bisschen doch wieder in diese Richtung argumentiert. Wie übrigens schon ein paar Mal bei innen- und außenpolitischen Themen.

Es muss offenbar über das Rollenverständnis des Joachim Gauck gesprochen werden – mit Gauck. Und das müssten idealerweise die tun, die ihn ins Amt gebracht haben, weil nur so Missverständnisse und auch Misshelligkeiten mit denen, die regieren, vermieden werden können. Die künftig regieren werden.

Im Fall Sotschi ist es so, dass da der Bürger Gauck gehandelt hat. Einerseits. Andererseits wird der Präsident Gauck wahrgenommen. Allerdings gilt: Ob so oder so, er hätte sich entscheiden müssen, wie er denn nun verstanden werden will. Wollte er als Präsident das Signal setzen? Dann müsste er dazu stehen und es argumentieren, wenigstens das. Denn es ist natürlich dann schon eine Nebenaußenpolitik auf höchster Ebene; er änderte damit Stil und Ton und grundsätzliche Haltung der Bundesregierung. Einem Außenminister Steinmeier, um nur ein Beispiel zu nehmen, dürfte das nicht so recht sein; viel zu viel ist wichtig in der Welt, von Syrien bis hin zur NSA, als dass das Verhältnis zu Russland mal eben auf Eis gelegt werden sollte.

Doch selbst dann, wenn einer Russland und Wladimir Putin die Stirn bieten will, bleibt die Frage: wer und wie? Joachim Wer? In Moskau kennen sie ihn kaum; das ist schon mal ein Punkt, wenn auch ein untergeordneter. Wäre es da aber gerade für ihn, der sich als Bürgerrechtler versteht, nicht besser gewesen, Putin bei einem direkten Aufeinandertreffen mit seiner Kritik zu konfrontieren? Welcher Bürgerrechtler kann das schon!

Zumindest hätte Gauck mit Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen im Land flankierend reden können. Damit hätte er der Sache mehr geholfen, als er jetzt sich selbst hilft, ein Signal seines generellen Unwillens zu setzen. Dieses Signal im Nachhinein aber noch beschwichtigend einzuordnen in eine Reihe mit Horst Köhlers Nichtbesuch seinerzeit im kanadischen Vancouver – das ist dann hilflos. Und unpolitisch. Denn Kanada grenzt nur an Russland, ist es aber nicht. Da lässt sich nichts vergleichen.

Und den Paralympics, das nicht nur nebenbei, leistet Gauck einen Bärendienst. Behinderungen sind in Russland, wie so vieles, ein Nichtthema, mehr noch, die Menschen leben verschämt, oft verborgen. Reist er dann auch nicht zu diesen Winterspielen, anstatt die Chance zu nutzen, damit Menschenrechte zu propagieren? Immerhin hätte der Bundespräsident politisch durchaus etwas Richtungweisendes, etwas den russischen Präsidenten Verpflichtendes von seinem Besuch ableiten können.

Dadurch, dass Joachim Gauck sich nicht klar verhält, lässt er zu viel Raum für Deutungen, auch die Deutung, er suche einen bewussten Affront mit Wladimir Putin. Als Bürger kann er sich das leisten. Als Staatsoberhaupt nicht. Da muss er die Interessen des ganzen Landes bedenken und für das Land sprechen. Die Sportler dieses Landes fahren nach Sotschi. Er lässt sie dastehen wie Staffage.

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