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Meinung: Im Zweifel mit den Siegern

Die arabischen Staaten planen für beides: Krieg und Frieden

Die ganze Welt schaute in den letzten Wochen nach New York, wo im UN-Sicherheitsrat um eine Irak-Resolution gerungen wurde. Nach dem Kompromiss geht der Blick nun wieder in den Vorderen Orient. Denn dort wird es sich in den nächsten Wochen entscheiden: Krieg oder Frieden.

Während die USA und Großbritannien ihre Aufmarschpläne in der Golfregion weiter verfolgen, als hätte es keine Resolution gegeben, üben die arabischen Staaten enormen Druck auf die irakische Führung aus, die Bedingungen des Sicherheitsrates zu erfüllen. Der Irak ist umzingelt. Militärisch – und politisch.

Anders als noch im Sommer, als US-Vizepräsident Dick Cheney erklärte, Ziel der US-Politik sei ein Regimewechsel in Bagdad, sehen die arabischen Staaten nun eine Möglichkeit, den Krieg zu verhindern. Und seitdem die amerikanische Regierung den Sicherheitsrat eingeschaltet hat, haben sich zumindest die gemäßigten arabischen Regime wie Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien und die Golfscheichtümer den Amerikanern angenähert. Auch die Rhetorik hat sich gewandelt. Zwar beklagen die Regierungen weiter das, was sie als Doppelmoral des Westens empfinden: Dass dem Irak ernsthafte Konsequenzen angedroht werden, wenn er die UN-Resolution nicht befolgt, während das etwa im Falle Israels keine Rolle spiele. Andererseits machen die arabischen Regierungen und Medien auch deutlich: Der Ball liegt nun im Feld von Saddam Hussein.

Annäherung an die USA

Wenn die arabischen Staaten jetzt in Kairo Druck auf Saddam Hussein ausüben, dann versuchen sie damit beides: Einen Krieg zu verhindern – und sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Einerseits geht es darum, dem Irak klar zu machen, dass er diesmal nicht tricksen darf: Eine falsche Auskunft gegenüber den Waffeninspekteuren, ein verweigerter Zugang zu einem Fabrikgelände könnte den Amerikanern schon reichen, um ein militärisches Vorgehen zu begründen. Andererseits bereiten sich die arabischen Führer auf einen möglichen Krieg vor. Denn fast noch mehr als diesen fürchten sie, auf der falschen Seite zu stehen. Jordanien etwa will nicht noch einmal den gleichen Fehler machen wie im Golfkrieg 1991, als König Hussein der internationalen Koalition fernblieb und trotz großer wirtschaftlicher Einbußen keine Entschädigungszahlungen erhielt. Und Saudi-Arabien fürchtet, nach einer Neuordnung der Region nur noch die zweite Geige am Golf zu spielen. Wer nicht zu den Verlierern gehören will, sucht die Nähe der USA.

Wer vor einer Destabilisierung der ganzen Region im Falle eines Krieges warnt, wird vielleicht erstaunt sein darüber, dass die moderaten arabischen Staaten sich mit den Amerikanern arrangieren. Wie wollen sie das ihren im Westen so gefürchteten arabischen Massen erklären? Die Antwort lautet: Indem sie diese vorbereiten. Denn der öffentliche Druck auf den Irak dient ja auch dazu, beim Scheitern der Abrüstungsbemühungen einen Schuldigen präsentieren zu können. Dann könnten sich die moderaten arabischen Staatsoberhäupter hinstellen, mit dem Finger auf Saddam zeigen und sagen: Er hat seine Chance gehabt, er hat sie nicht genutzt.

Schon vor dem Afghanistan-Krieg wurde vor der Anarchie der arabischen Straße gewarnt. Dabei wird übersehen, dass die meisten Staatsoberhäupter der Region fester im Sattel sitzen denn je. Nach Syrien und dem Irak ist auch Ägypten gerade dabei, von einer Republik zu einer Familiendynastie zu werden – und gleicht sich so den fest etablierten Königstümern an.

Selbst Saddam scheint eingesehen zu haben, dass er weder mit einer Rebellion der Massen noch mit der Solidarität der Regierenden rechnen kann. Fast diplomatisch sagte er einer ägyptischen Zeitung: „Wir verlangen nicht mehr von den arabischen Führern, als sie zu geben im Stande sind.“ Wenn Saddam so viel Realismus auch gegenüber den Waffeninspekteuren an den Tag legen würde – dann könnte ein Krieg verhindert werden.

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