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Nun auch mit Wowereit - am Anfang der Kampagne hatte die SPD noch auf Plakate ohne Fotos des Regierenden Bürgermeisters gesetzt.

© dpa

Klaus Wowereit tritt ab: In Berlin muss es Neuwahlen geben

Klaus Wowereit wurde gewählt. Jetzt kündigt er seinen Rückzug an. Unser Autor Robert Ide findet: Eine neue Lage erfordert neue Wahlen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Ide

Das Stoffkrokodil knabberte ihm an der Nase, aber am Zeug flickte ihm keiner. Als Klaus Wowereit vor drei Jahren noch einmal Auferstehung feierte und seine SPD sogar von den eigenen Wahlplakaten verschwinden ließ, da hatten alle Berliner die Wahl: Mach’s noch einmal, alter Wowi? Oder sollte Renate Künast ran, die sich als Bürgermeisterkandidatin später selbst demontierte? Oder Frank Henkel, der sich als Großstadtpolitiker warmlief? Am Ende war der Alte wieder der Neue – und sah dann schnell alt aus.

Drei zähe Jahre später hat Wowereit die Lust und immer mehr politische Unterstützung verloren; die ganze nervige Regiererei hat er seiner äußerlich angeschlagenen und innerlich zerrissenen SPD vor die Füße geworfen. Nun haben die Sozialdemokraten die Wahl: 17 000 Berliner stimmen per Mitgliederentscheid darüber ab, wer ins Rote Rathaus einzieht. Der Koalitionspartner CDU will offenbar abnicken, was ihm die SPD vorsetzt (und sich bis dahin das Schauspiel von der Tribüne aus ansehen). Nur die Wähler dürfen nicht entscheiden, wer sie künftig regiert. Warum eigentlich nicht?

Die Regierungsparteien reden neuerdings gern von Bürgerbeteiligung

Eine neue Lage erfordert neue Wahlen. Natürlich haben die Berliner ein Abgeordnetenhaus bestimmt und keinen Sonnenkönig. Doch der Wahlkampf war voll und ganz auf Wowereit zugeschnitten. Nun wird seine Nachfolge zur Parteisache erklärt. Und diese könnte sich noch einmal verengen: Sollte Senator Michael Müller tatsächlich in den Wettstreit mit Parteichef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh einsteigen, könnte es nach einem Mitgliedervotum zur Stichwahl auf einem Parteitag kommen; mit ein paar hundert Delegierten. Natürlich haben Parteien einen Koalitionsvertrag geschlossen, nicht einzelne Politiker. Da hat der derzeit stärkste Mann der schwächelnden Berliner Politik, Frank Henkel, recht. Aber auch ihm darf zu denken geben, dass sich in Umfragen die Mehrheit seiner CDU-Wähler für Neuwahlen ausspricht.

Die bröselnde Koalition in Berlin ist reif für eine Neubewertung

Selbst die Regierungsparteien reden neuerdings gern von Bürgerbeteiligung. Doch dort, wo es wirklich etwas zu entscheiden gibt, werden die Bürger vielleicht irgendwann irgendwie befragt – wie bei der Olympia-Bewerbung. Oder einfach gar nicht, wie jetzt beim Rennen ums Rote Rathaus. Dabei ist Wowereits bröselnde Koalition reif für eine Neubewertung durch den Souverän: Der BER ist noch lange nicht eröffnet, nicht einmal reif dafür. Neue günstige Wohnungen wurden nicht gebaut – der Senat verlor stattdessen wegen eigener Ignoranz den Volksentscheid übers Tempelhofer Feld. Der Sanierungsstau hält an – auf Straßen, auf Schienen, in Schulen; und niemand entwickelt eine neue Idee, wie er die Stadt entwickeln will. In einem Wahlkampf müsste er (warum eigentlich nicht: sie?) das.

Was versteht Jan Stöß unter sozialem Zusammenhalt? Wie definiert Raed Saleh Integration? Wie drückt Michael Müller die Mieten? Darüber befinden jetzt 17 000 Berliner. Zweieinhalb Millionen andere Wahlberechtigte dürfen nur zusehen. Es ist der erste politische Fehler des künftigen Regierenden Bürgermeisters, egal wie er heißt.

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