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Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD).

© AFP

Koalitionen nach der Bundestagswahl: Zwischen Angst und Taktik

Was steht gegen eine große Koalition? Es sind zwei Ängste von denen man leider erst hinterher weiß, ob sie berechtigt waren oder nicht.

Angela Merkel hat einen großen Wahlsieg errungen – zu ihrem Glück ist er nicht noch größer ausgefallen. Sonst stünden ihr ungemütliche Zeiten bevor. Eine absolute Mehrheit der Mandate hätte die Kanzlerin nicht nur denen in der CDU ausgeliefert, die die Partei gerne wieder in die konservative Ecke zurückschieben würden, aus der Merkel die Union unter heftigem parteiinternen Widerstand herausgeführt hat. Nein, hinzu käme auch noch der Übermut eines Horst Seehofer, der die große Schwester CDU permanent zum Resonanzboden seiner eruptiven, spontanen Einfälle machen könnte. So aber wird Merkel den künftigen Koalitionspartner, gleich, ob SPD oder Grüne, wohl als Werkzeug der Disziplinierung innerparteilicher Auswüchse nutzen. Eine Minderheitsregierung, die von Fall zu Fall auf wechselnde Unterstützung angewiesen wäre, kommt für die besonnene Kanzlerin ohnedies nicht infrage.

Eine schwarz-grüne Koalition spräche viele Wähler an

Wer soll, wer kann es denn sein, die SPD oder die Grünen? Vor der Wahl haben beide Seiten die Idee eines schwarz-grünen Regierungspakts als eher unwahrscheinlich dargestellt. Gewichtig ist vor allem das Argument, eine solche Koalition fände im Bundesrat keinerlei Entsprechung und damit keine Unterstützung bei ihren Gesetzesvorhaben. Aber alle drei Parteien, CDU, CSU und Grüne, sind im Kern wertkonservativ, auch wenn Jürgen Trittin das für seine Organisation gerade wieder bestreitet.

Alle drei haben im Wählerpotenzial eine erhebliche Schnittmenge. Diese Pro-Argumente sind allerdings von geringerem Gewicht als jene sachlichen und psychologischen, die gegen eine solche Koalition sprechen. Das sind besonders die grünen Steuerpläne, die für CDU und CSU absolut inakzeptabel sind. Eine große Belastung des Vertrauensverhältnisses wäre die Verwicklung der Grünen in die Pädophiliedebatte. Eine ganz konkrete Bruchlinie verläuft an der Vorstellung, Trittin könne auf das Amt des Finanzministers reflektieren.

Und die SPD? Diese Neuauflage einer großen Koalition startete unter völlig anderen Voraussetzungen als die Allianz von 2005. Damals waren beide Partner fast gleich stark, CDU/CSU mit 35,4 Prozent gegen 34,2 Prozent der SPD. Auch bei den Sitzen lagen sie nahezu gleichauf: 226 für die Union, 222 für die SPD. Jetzt, 2013, ist die Union übermächtig, hat fast 16 Prozent der Wählerstimmen und 117 Mandate Vorsprung. Um die Sozialdemokraten überhaupt von dieser Koalition zu überzeugen, müsste Angela Merkel bei der Verteilung der Ministerposten zahlenmäßige Zugeständnisse sehr weit über den Parteienproporz hinaus machen. Dies der eigenen Truppe zu verkaufen, wird schwer, denn die möchte den Triumph natürlich in Posten umsetzen.

Die große Koalition von 2005 bis 2009 war besonders für die SPD schmerzhaft

Rein sachlich könnten CDU/CSU und SPD so gut wie 2005 bis 2009 zusammenarbeiten, wobei zu leicht vergessen wird, dass manche Beschlüsse dieser Regierung schmerzhaft waren. Dazu gehört die Rente mit 67 genauso wie eine Mehrwertsteuererhöhung um drei Punkte auf einen Schlag. Einigen würden sich die Koalitionspartner vermutlich leicht auf eine Verfassungsänderung, die dem Bund erlaubt, beim Hochschulbau tätig zu werden.

Dagegen würden sich die Länder kaum sträuben. Auch die Reform der Renten- und Pflegeversicherung hätte bei dieser Koalition Chancen. Die Energiewende so bezahlbar zu machen, dass der kleine Mann nicht alleine für die Kosten aufkommt, die Wirtschaft aber im internationalen Vergleich nicht unmäßig belastet wird, müsste Schwarz-Rot ebenfalls möglich sein. Im Bundesrat ließe sich bei jedem dieser Projekte eine Mehrheit organisieren oder zumindest eine drohende Blockade wegverhandeln.

Was steht gegen eine große Koalition? Es sind zwei Ängste. Die der SPD, am Ende wieder, wie schon 2009, mit einem katastrophalen Wahlergebnis für den Pakt mit der Union bestraft zu werden. Und erstmals die der Union, die Sozialdemokraten könnten in der Mitte der Legislatur einen Vorwand suchen, die große Koalition zu kippen und eine rot-rot- grüne Regierung auf Bundesebene zu organisieren. Das Dumme an solchen Ängsten ist, dass man erst hinterher weiß, ob sie berechtigt waren oder nicht.

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