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Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.

© promo

Kolumne meine Heimat: Buschkowsky ist ein Arzt, der nicht behandelt

Die Klagelieder des Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky machen nichts besser - sie bedienen nur Vorurteile, meint unsere Kolumnistin und fragt: Würden Sie zu einem Arzt gehen, der nur von den schrecklichen Krankheiten seiner Patienten erzählt und dabei vergisst, sie zu behandeln?

Während ich Gedanken für meine Bücher und Artikel abwäge, verwerfe, neu auflege, umarbeite und mich schwer damit tue, die eigene Sicht anderen in gedruckter Form unter die Nase zu schieben, plagen Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky derartige Skrupel nicht im Geringsten. Man nehme ein Thema, eines, das polarisiert und rolle es unbedingt eindimensional aus. Dann packe man eine gewisse Expertise dazu, allerdings je einseitiger, desto besser. Ganz wichtig wäre noch, seine Ansichten in einer didaktischen Redundanz immer wieder und wieder zu wiederholen. Das lässt sich flotter herunterschreiben, als einem Thema abwägend alle Facetten abzugewinnen.

Dass so eine Haltung Widerspruch auslöst, ist Kalkül, nur so bekommt man seine zwischen Buchdeckel geklebten Ergüsse verkauft. Schließlich muss unbedingt ein Titel her, der Autor, Thema und Inhalt den potenziellen Lesern ins Bewusstsein drückt. Der Erkenntnisgewinn bleibt zwar aus, aber die Bedienung der eigenen Position wird umso mehr bestätigt.

Heinz Buschkowskys Karriere in Bildern

Blöd ist nur, wenn allzu auffällig wird, dass hier nicht ein Betroffener, ein Beobachter von außen oder ein Schiedsrichter die Feder führt, sondern ein Akteur, der das Kunststück aufführt, Dinge, für die er die politische Verantwortung trägt, anderen in die Schuhe zu schieben. Seine mutmaßliche Kenntnis der Sache, auf die er sich stützt, rührt daher, dass er im Zentrum des Geschehens sitzt. Und um auch etwas Versöhnliches über ihn zu sagen: Bestimmt wird man betriebsblind, wenn man nur mit Menschen zu tun hat, die Probleme haben oder verursachen. Dann blendet man jene aus, mit denen man nichts zu tun hat, weil sie keine Schwierigkeiten haben.

Fotogalerie: Nebenberuf Bestsellerautor

Wie wäre es, wenn Angela Merkel ein Buch darüber schreiben würde, wie schwer sie es als Frau in der CDU hat? Oder Sigmar Gabriel, der aus dem Inneren der Troika berichtet. Klar, das hätte Unterhaltungswert, nur würde man schnell dahinterkommen, dass sie ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, weil sie sich in weinerlicher Larmoyanz ergießen, statt zupackend die Konflikte zu lösen. Daher schreiben Politiker auch solche Bücher nicht. Bis auf Buschkowsky, der landauf, landab seinen Bezirk zum Synonym von Überfremdung, Sozialschmarotzertum, gescheiterter Integration und Bildungsarmut macht. Würden Sie zu einem Arzt gehen, der nur von den schrecklichen Krankheiten seiner Patienten erzählt und dabei vergisst, sie zu behandeln?

Überall ist eben nicht überall. Und die Klagelieder des Bezirksbürgermeisters machen nichts besser, sie bedienen nur die Vorurteile. Aber vor allem zeigen sie, dass dieser Mann zur Reduktion greifen muss, damit die komplexe Situation von Neukölln in seinen Horizont passt. Oder wie mein Vater sagen würde: „Söz dedigin yas deridir, nereye cekersen oraya gider“ – das Wort ist wie nasses Leder, es lässt sich dehnen, wohin man zieht.

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