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Andrea Nahles

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Nahles' Rentenreform: Verkehrter Schröder: Arbeitsministerin macht Politik für die SPD, nicht fürs Land

Mit Gerechtigkeit hat die Rentenreform von Andrea Nahles wenig zu tun. Was aber sollen die jungen Leute machen, wenn sie schon in der 43 Jahre alten SPD-Arbeitsministerin keine Fürsprecherin finden?

Als Arbeitsministerin Andrea Nahles am Donnerstag ihr Rentenpaket im Bundestag einbrachte, schilderte sie Begegnungen mit älteren Menschen – auf dem Flughafen Tegel und auf dem Marktplatz in Andernach. Auf besorgte Nachfragen hin hätte sie diesen versichert: „Ja, das kriege ich hin. Ja, ich schaffe das!“ Nahles meinte die Ausweitung der Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63. Es klang, als ziehe die frühere Juso-Chefin gegen gierige Banker zu Felde. Dabei ist es nur das Geld von stinknormalen Beitragszahlern, das die Sozialministerin gerade umverteilt.

Tatsächlich kann Nahles in dem Glauben handeln, dass drei Viertel der Deutschen hinter ihrem Vorhaben stehen. Die Beteuerung, hier werde bloß die Meinung des Volkes exekutiert, wirkt trotzdem verräterisch. Denn das Rentenpaket ist nicht nur ein Zugeständnis an die Babyboomer-Generation – es soll auch der SPD etwas bringen. 2004 noch hatte Gerhard Schröder gesagt: „Erst das Land, dann die Partei.“ Sigmar Gabriel hält das Gegenteil für richtig: Was der SPD schade, sei auch nicht gut für das Land.

Ist die Jugend großzügig - oder nur dämlich?

Zumindest für die jüngere Generation aber sind die Rentenpläne alles andere als gut. Laut Umfragen stimmen trotzdem 78 Prozent der 18- bis 29-Jährigen zu – höher ist die Quote in keiner anderen Altersgruppe. Verbirgt sich dahinter Großzügigkeit, Dämlichkeit oder die Einsicht, ohnehin auf verlorenem Posten zu stehen? Man kann es auch so sehen: Jüngere Arbeitnehmer müssen in ganz anderem Umfang zusätzlich vorsorgen, als es heutige Senioren taten – weil ihre gesetzliche Rente in 30 bis 40 Jahren sehr viel niedriger ausfallen wird. Das Geld, das in das Rentenpaket fließt, fehlt für die eigene Alterssicherung. Außerdem brechen bald die Beiträge jener weg, die vorzeitig in den Ruhestand gehen. Die Rentenkasse jedoch kann nur das ausgeben, was sie Monat für Monat von Arbeitnehmern und Firmen bekommt.

Mit Gerechtigkeit also hat Nahles’ Rentenreform wenig zu tun

Was aber sollen die Jungen machen, wenn sie schon in der 43 Jahre alten Sozialministerin keine Fürsprecherin finden? Im Zweifel richtet sich der Kampfesgeist, den die Ministerin an den Tag legt, gegen ihre eigene Generation. Die Umverteilung, die sie durchsetzt, ist keine zwischen Arm und Reich, sondern zwischen Jung und Alt. Auch Nahles selbst würde als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin nie und nimmer von der Rente mit 63 profitieren. Nur für die wählerstarken Babyboomer wird die Uhr noch einmal zurückgedreht – ein letztes Mal, als gäbe es kein Morgen. Ab dem Jahrgang 1964 greift wieder die Grenze von 65 Jahren.

Mit Gerechtigkeit also hat Nahles’ Rentenreform wenig zu tun. Am Ende bleibt der Verdacht, dass es der SPD in erster Linie um eine Aussöhnung mit den Gewerkschaften geht – und mit der ihr zugewandten Facharbeiterklientel. Doch in den Umfragen hilft der SPD die neue Rolle als Betriebsrat bisher nicht. Das könnte ausgerechnet an dem antiquiert wirkenden Paternalismus liegen, den Nahles im Bundestag durchscheinen ließ.

Auch das Hartz-IV-Trauma der SPD wird mit der neuen Rentenpolitik nicht zu bewältigen sein. Die Reform könnte den Riss zwischen Partei und sozialer Unterschicht sogar noch vergrößern. Die SPD hätte nach 2005 versuchen sollen, die gröbsten Ungerechtigkeiten der Agenda-Politik zu beseitigen – ohne die komplett infrage zu stellen. Die Rente mit 63 aber vertieft die fragwürdige Unterscheidung zwischen guten und schlechten Arbeitslosen: Fünf Jahre Arbeitslosengeld I werden angerechnet, fünf Jahre Hartz IV dagegen nicht. Gerecht ist auch das nicht.

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