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Francois Hollande: Man könnte glauben, er sei schon Präsident.

© dapd

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Merkollande rückt näher

Selten hat ein nationaler Wahlkampf die europäischen Nachbarn so beschäftigt. Die Krise hat deutlich gemacht, wie sehr die Länder voneinander abhängig sind. Sollte Francois Hollande neuer französischer Präsident werden, wäre das nicht schlecht für die EU.

Der neue Begriff ist schon geprägt: Merkollande. Nun sollte man die Aussprache üben. Denn seit Mittwochabend ist der Sozialist François Hollande der französischen Präsidentschaft einen guten Schritt nähergekommen. Das fast dreistündige Fernsehduell mit Amtsinhaber Nicolas Sarkozy hätte der letzte Stolperstein für den früher als farblos geltenden Hollande werden können. Aber er hat das ausgesprochen aggressive Streitgespräch mit seiner Souveränität und der richtigen Dosis Offensive für sich entschieden.

Sarkozy dagegen wirkte wie ein Wadenbeißer, der im richtigen Moment nicht zuschnappte – als Hollande mindestens 15 Mal hintereinander die Aufzählung seiner Pläne einleitete mit „Ich, Präsident der Republik“. Am Ende konnte man glauben, er sei schon Präsident. Ein geflügeltes Wort ist die Phrase längst. Es wird knapp werden, aber jetzt kann Hollande eigentlich keinen Fehler mehr machen.

Selten hat ein nationaler Wahlkampf die europäischen Nachbarn so beschäftigt. Zu Recht. Wie sehr die Länder voneinander abhängig sind, macht die Euro-Krise seit drei Jahren deutlich. Dass es eigentlich nur noch europäische Innenpolitik gibt, dafür war das Fernsehduell ein lebendiges Beispiel: Deutschland war in aller Munde. Mal nutzte Hollande die Stärke der deutschen Wirtschaft, um Sarkozys Bilanz kleinzureden. Dann berief Sarkozy sich auf Gerhard Schröder, der ihn angeblich im letzten Wahlkampf unterstützt haben soll. Hollande lobte das deutsche Modell der Tarifparteien, um Sarkozys Hetze gegen Gewerkschaften anzuprangern. Als sich Sarkozy abmühte, den Spar-Fiskalpakt zu verteidigen, warf Hollande nur genüsslich ein, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits einen Schritt weiter sei und über Konjunkturhilfen nachdenke. Dank des Drucks, den Hollandes Erfolgsaussichten aufbauen, versteht sich.

Sehen Sie hier: Bilder aus dem französischen Wahlkampf

Doch nicht nur jeder dritte Franzose – insgesamt 18 Millionen Menschen – hat das Duell der Spitzenpolitiker gesehen. Sondern auch Regierende und Opposition in Europa und Deutschland werden es verfolgt und sich ihren Reim darauf gemacht haben. Die SPD kann auf den Rückenwind aus Frankreich setzen, wenn sie Merkel bei den Verhandlungen über den Fiskalpakt Wachstumsanreize abringen will.

Doch was bedeutet ein möglicher Wahlsieg Hollandes für das deutsch-französische Duo? Ein Wangenküsschen wird es beim Antrittsbesuch Hollandes in Berlin wohl nicht geben – immerhin hatte Merkel es abgelehnt, den Herausforderer in Berlin zu empfangen. Aber an die forschen Küsse Sarkozys musste sich die Kanzlerin auch erst gewöhnen, nachdem sie von Jacques Chirac den galanten Handkuss kannte.

Und dann? Das Gespenst geht um, dass es unter Hollande mit dem Sparen in Europa vorbei ist. Andere Beobachter argumentieren, dass das deutsch-französische Paar am besten funktioniert, wenn es sich streitet und Kompromisse suchen muss. Stellvertretend für die unterschiedlichen Wirtschaften und Probleme in Nord- und Südeuropa sozusagen. Und wenn nicht einer den anderen ins Schlepptau nimmt. Zugleich wird auch in Deutschland die Debatte lauter, ob die Konjunktur in Europa angekurbelt werden muss. Ob die Europäische Zentralbank den Ländern direkt unter die Arme greifen soll, statt Geldhäusern satte Gewinne zu verschaffen, ist eine Diskussion wert. Was ist so falsch daran, dass Hollande die kleinen und mittleren Unternehmen stärken will, anstatt nur auf Großkonzerne zu setzen?

Sarkozy hat sich gerade im Wahlkampf als sprunghafter und unzuverlässiger Partner erwiesen, der um die Stimmen der Rechtsextremen buhlt und dafür seine europäischen Lorbeeren aufs Spiel setzt. Einschneidende Reformen nach deutschem Beispiel hatte auch er nicht mehr im Köcher. Hollande ist kein linker Revoluzzer, er will Präsident aller Franzosen sein, und was aus seinen Versprechungen wird, muss sich zeigen. Aber er gilt als verlässlich und konsequent. Das sind keine ganz schlechten Voraussetzungen für die europäische Innenpolitik.

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