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Roboter-Maler malt auf einer Leinwand

© imago/Ikon Images

Supercomputer, erlöse uns!: Warum es gut ist, wenn KI nun auch kreativ wird

Künstliche Intelligenzen generieren Bilder, die wie von Menschen gemacht aussehen. Macht uns das überflüssig? Nein, aber es entlastet uns vom Kreativitätszwang.

Eine Kolumne von Adrian Schulz

Der Amerikaner Jason Allen gewann kürzlich einen Kunstwettbewerb – mit einem Bild, für das er keinen Tropfen Farbe anrühren musste. Die Künstliche Intelligenz Midjourney entwarf es. Jason Allen wählte nur noch unter etlichen Prototypen das passende Motiv aus und ließ es auf Leinwand drucken. Der Titel lautet „Théâtre D’opéra Spatial“. Ein Juror gab nachher an, er habe bei der Bewertung gar nicht gemerkt, dass das Werk von einer KI stammt; so dürfte es nicht nur ihm gehen.

Bei jedem Fortschritt in der Maschinenwelt bekommen die Angst, die bis dato die Arbeit erledigt haben. „Wird Dall-E meinen Job wegnehmen?“, fragt eine Fotoredakteurin des „New York Magazines“ über eine weitere Bilder-KI noch halb im Scherz. Auch von der Börse berichten KI inzwischen, über das Wetter, analysieren Recherchedaten. Und schreiben bald Kolumnen wie diese?

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Besonders groß ist die Furcht bei ohnehin zweifelgeplagten Autor*innen. „Kann nicht jemand anderes, oder sogar jede*r andere, meinen Job viel besser machen als ich unfähige Person?“, fragen sie, vor ihren Laptops hängend, unentwegt. Schon gibt es einen Namen für ihr Leid: Hochstapler-Syndrom heißt es. Es hat mindestens so sehr Konjunktur wie Künstliche Intelligenz – und tritt nun in seine 2.0-Phase ein: „Sollte nicht besser eine KI meinen Job machen?“

Aber nicht nur Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Der Status künstlerischer Originalität steht infrage, das Menschsein als solches. Eine weitere Kränkung droht – nach den drei Kränkungen der Menschheit, die der Psychoanalytiker Sigmund Freud in einem oft zitierten Aufsatz postuliert. Erstens: Die Erde dreht sich um die Sonne und nicht umgekehrt. Zweitens: Der Mensch stammt vom Tier ab. Drittens: Nicht die Vernunft kontrolliert den Geist, sondern das Unbewusste. Und nun viertens: Selbst in der Sphäre der Kreativität sind die Menschen nicht mehr unangefochten.

„Bin keine Maschine / Ich leb’ von Luft und Fantasie“ sang Tim Bendzko, dessen Texte meist so erwartbar klingen, als hätte die automatische Satzvervollständigungsfunktion eines Smartphones sie verfasst, 2016 auf seinem Album „Immer noch Mensch“. Was, wenn selbst die Fantasie den Menschen nicht mehr einzigartig macht?

Auf solche Sorgen folgt eine zweite Phase: die Erkenntnis, dass Menschen Künstliche Intelligenzen auch für Kreatives nutzen können. Sie lassen die KI einen Großteil der Arbeit erledigen und wählen nur noch die beste Charge aus. Der Künstler wird zum Kurator, der Algorithmen als unbezahlte Subunternehmer für sich schwitzen lässt. Und das Beste: Die KI plagt sich nicht mit Selbstzweifeln.

Die Maschine füttern muss der Mensch, und damit treten wir in Phase Drei ein, nur noch mit einer Themenidee. Sowohl Midjourney als auch Dall-E benötigen, um Bilder zu generieren, ein paar Begriffe als Ausgangspunkt: Katze in der U-Bahn, wütende Tante, halber Bürostuhl. Die gibt der User noch selbst ein.

Immer mehr wird der Mensch also zum Ghostwriter für Supercomputer. Bald steht nur noch die Maschine im Rampenlicht, sie erhält dann ganz allein Preise und Anerkennung. Für die Menschen wäre das kein Verlust, sondern eine ungemeine Entlastung. Immer kreativ sein, reagieren, posten müssen sie in diesen Zeiten. Das erschöpft. Wenn die KI die Führung übernehmen würde, könnten die Menschen ganz in Ruhe ihre Kränkungen kurieren.

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