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Syrien war das große Thema des G-20-Gipfels.

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Update

Syrien nach dem G-20-Gipfel: Schweigen wäre ein moralisches Debakel

Wie wird die Bundesregierung reagieren, wenn sich die USA zu einem militärischen Signal in Syrien entschließen – ein Warnsignal, durch das Unschuldige sterben könnten, weil sowohl Assad als auch seine Gegner Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht? Schweigen ist keine Lösung. Deutschland steht in der Verantwortung.

Fünf Jahre nach dem Beginn der Weltfinanzkrise, ausgelöst durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers, ist die Bereitschaft der großen Wirtschaftsnationen nicht mehr sehr ausgeprägt, Schattenbanken und Hedgefonds schnell durch strengere Regeln an einer erneuten gefährlichen Spekulationsstrategie zu hindern. Der Zeitplan, der dazu auf dem G-20-Gipfel in St. Petersburg vereinbart wurde, ist lax, und auch die bisher noch legalen Steuertricks internationaler Konzerne werden wohl erst ab 2015 ernsthaft unter die Lupe genommen. Dass die Bundeskanzlerin das Wenige, das erreicht wurde, als Erfolg verkauft, ist ein legitimes Mittel der Selbstdarstellung, zwei Wochen vor der Bundestagswahl.

Vielleicht hängt die Lustlosigkeit, mit der die Staats- und Regierungschefs bei den Wirtschaftsthemen ans Werk gingen, aber auch mit der internationalen Spaltung angesichts des Syrienkonflikts zusammen. Dem amerikanischen Präsidenten gelang es nicht, eine breitere Allianz für ein militärisches Signal an das Regime Assad zu schmieden. International stehen ihm lediglich Frankreich, Saudi- Arabien und die Türkei an der Seite. Der türkische Ministerpräsident Erdogan meint zwar, fast alle Teilnehmer des Gipfels hätten sich für eine Intervention wegen des vermutlich von Regierungstruppen verübten Chemiewaffenangriffs auf die eigene Bevölkerung ausgesprochen, aber erkennbar ist davon nichts. Die 28 EU-Staaten werden sich nicht gegen ein solches US-Vorgehen mit französischer Unterstützung aussprechen, sie werden aber auch nichts dafür tun. Das Nein des britischen Unterhauses zu einer Beteiligung Großbritanniens dient allen anderen Europäern als willkommenes Alibi, sich nicht festlegen zu müssen.

Sie berufen sich dabei auf das Fehlen eines Mandats durch den Weltsicherheitsrat. Russland nutzt dieses Gremium als letztes ihm zur Verfügung stehendes politisches Instrument, seine imperialen Ansprüche geltend zu machen. Als die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power Wladimir Putin vorwarf, er nehme die Vereinten Nationen mit diesem Vorgehen als Geisel, war das undiplomatisch und half in der Sache nicht weiter – aber richtig war es.

Barack Obama muss nun das völkerrechtliche Gewaltverbot ohne entsprechende Legitimation abwägen gegen das Recht zu einer humanitären Intervention. Frankreichs Präsident François Hollande unterstützt die vermutliche Entscheidung Washingtons für einen begrenzten Raketenangriff mit dem Hinweis, das Völkerrecht dürfe nicht als Entschuldigung dafür dienen, dass man einem Massenmord tatenlos zuschaut. Von diesem Gedanken geleitet, hatte sich ja auch Deutschland neben anderen Nato- Staaten 1999 am Balkankrieg beteiligt. Außenminister Joschka Fischer hatte damals moralisch und eben nicht juristisch argumentiert, als er die deutsche Beteiligung unter dem Hinweis auf „Nie wieder Auschwitz“ verteidigte.

Und heute? Wie wird die Bundesregierung reagieren, wenn sich die USA zu einem militärischen Signal entschließen – ein Warnsignal, durch das wieder, wie vor 14 Jahren auf dem Balkan, auch Unschuldige sterben könnten, weil sowohl Assad wie auch seine Gegner Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht? Wird das Land, in dem Zyklon B patentiert und zur Ermordung hunderttausender Juden in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau eingesetzt wurde, schweigen, wenn jetzt gegen den Giftgasangriff in Syrien ein Zeichen gesetzt wird? Es wäre ein moralisches Debakel.

Am Samstag, nach dem G-20-Gipfel, hat sich Deutschland doch noch dazu entschlossen, einer Erklärung zum Syrien-Konflikt anzuschließen. Damit stellt sich die Bundesregierung hinter den Kurs von US-Präsident Barack Obama. Dies teilte Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit.

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