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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (r) und Ulf Kristersson, Ministerpräsident von Schweden.

© dpa/Burhan Ozbilici

„Lösungsvorschlag“ aus der Türkei: Erpresser wie Erdogan sind der Tod der EU

Der türkische Präsident will den Nato-Beitritt Schwedens mit einer EU-Beitrittsperspektive verknüpfen. Auf diesen Erpressungsversuch darf es nur eine Antwort geben: Bloß nicht!

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Europa darf dem türkischen Präsidenten Erdogan danken für die unverschämte Klarheit. Er blockiert Schwedens Nato-Beitritt nicht, weil er nachvollziehbare Bedenken hätte. Er benutzt das Einstimmigkeitsprinzip der Allianz, um sich seine Zustimmung möglichst teuer bezahlen zu lassen.

Neueste Bedingung: Die EU soll die Beitrittsgespräche mit der Türkei wieder aufnehmen. Sachlich hat das mit Schwedens Aufnahme in die Nato gar nichts zu tun. Auf diesen Erpressungsversuch darf es nur eine Antwort geben: Bloß nicht!

Für die EU-Organe – Kommission, Parlament und Rat der Mitgliedsländer – ist dies ein guter Anlass, sich drei Lehren aus der Entwicklung der internationalen Politik in Erinnerung zu rufen. Erstens nehmen der Egoismus einzelner Staaten und die Konflikte kontinuierlich zu. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass Mitglieder sich gemeinschaftstreu verhalten, weil der gemeinsame Erfolg doch auch in ihrem Interesse liegt.

Zweitens darf die EU dankbar sein, dass der Beitritt der Türkei nicht zustande gekommen ist. Viele wollten ihn in den 1990er und 200er Jahren herbei predigen als Mittel zur Überwindung kultureller und politischer Unterschiede zwischen christlicher und islamischer Welt – auch die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer.

Heute ist man klüger: Was könnte die EU überhaupt noch beschließen, wenn einer wie Erdogan mit Vetorecht in Brüssel mitentscheiden dürfte? Ein Viktor Orban ist Schaden genug. Nur hat der nicht so viel Druckpotenzial wie Erdogan.

Drittens sollte jetzt allen klar sein: Die EU ist schon mit 27 Ländern oft nicht entscheidungsfähig. Weitere Neuaufnahmen – ob Westbalkan, Ukraine, Länder der östlichen Nachbarschaft oder die Türkei – wären ihr Selbstmord, wenn nicht zuvor die Entscheidungsmechanismen geändert werden.

Deshalb: Schluss mit dem Einstimmigkeitsprinzip, das de facto jedem Land ein Vetorecht gibt und so zur Erpressung einlädt! Nach einem Beitritt Serbiens säße indirekt Russland mit am Tisch, nach einem Beitritt Montenegros China. Und Erdogan ist Manns genug, die EU im Alleingang lahmzulegen.

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