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Eines der zentralen Wahlkampfthemen in Berlin: Wohnraum. Auch für die Grünen ein Thema, das auf den Wahlplakaten zu finden ist.

© picture alliance/ dpa

Wahlkampf in Berlin: Berlin ist eine Herausforderung für die Parteien

Die SPD rüstet gegen das hinterwäldlerische Betreuungsgeld, dennoch liegt die CDU vorn. Während die FDP fast verloren scheint, sucht die Linke nach Themen und die Grünen punkten beim Bildungsbürger. In Berlin hat der Wahlkampf begonnen - etwas lau. Dabei braucht die Stadt mehr Bewegung.

Nun gucken sie uns wieder in die Augen, unsere Damen und Herren Volksvertreter – mit aufgefrischtem Lächeln und durchfrisierten Parolen. Ihr seid das Volk!, rufen sie uns jetzt wieder von jeder Straßenlaterne herab zu, damit auch dem letzten Nichtwähler ein Licht aufgeht: Stimm’ für mich! Es geht um dich! Sieben lange Wochen noch.

Mitten in der letzten Ferienhitze beginnt die heiße Wahlkampfphase nicht nur auf den Straßen Berlins. Aber hier, in der Hauptstadt der politischen Brachen und strategischen Entscheidungen, geht es um wichtige Prozente. In den Wahlkampfzentralen im Stadtzentrum wird erdacht, was auf den Plätzen und in den Köpfen noch den Umschwung in den Umfragen bringen könnte. Und hier, in der Metropole der sozialen Ängste und wirtschaftlichen Vakanzen, werden auch die Themen der Zukunft verhandelt – ganz gegenwärtig. Wie hoch steigen die Mieten? Was verdiene ich mindestens? Wann fühle ich mich sicher? Wer bildet meine Kinder aus? Gibt es Privateigentum auch online? Wahlkampf in Berlin muss praktisch sein.

Berlin ist eine Herausforderung für die Parteien

Für die Parteien ist das nach außen gern schimmernde und nach innen oft prekäre Berlin eine Herausforderung. Die SPD zum Beispiel, in Flächenländern eher flachbrüstig, setzt in ihrer Wahlkampagne bisher auf Themen fürs aufgeklärte Stadtpublikum: Es geht gegen die hinterwäldlerische CSU (Betreuungsgeld) oder die übermächtige NSA (Überwachung) – dabei ist das alles weit weg.

Eine andere Abkürzung ist den Menschen in der Region viel näher: BER. Für das Flughafenrätsel gibt es noch immer keine Auflösung. Gerade wird wieder ein Aufsichtsratschef gesucht, ein nächster Eröffnungstermin sowieso. Das Fiasko klebt wie in der Sonne geschmolzener Teer an den Schuhen von Klaus Wowereit, der als Regierender Bürgermeister auch bundespolitisch mal ein Zugpferd war und nun eher als müder Klepper von anderen gezogen werden müsste.

Berlin: SPD dümpelt auf Steinbrück-Niveau - CDU liegt vorn

Doch wer soll das sein? Peer Steinbrück, der zum Wahlkampfstart in den Wedding gezogen ist und nun mit einer Klingelschildkampagne zum Kanzler werden möchte, den Namen seiner Eckkneipe aber nicht genau aufzusagen weiß. Oder die zweite Reihe der Berliner Sozialdemokratie, die es sich gedanklich schon auf den Sitzen ganz vorne bequem macht. Mag sein, dass Fraktionschef Raed Saleh mit vielen Vorschlägen zum Wohnungsbau, zur Stadtarchitektur und Kindergartenpflicht gerade viel Aufmerksamkeit erregt. Aber der Wille, ganz schnell ganz groß rauskommen zu wollen, ist ihm zu sehr anzumerken. Und nicht immer korrespondieren seine – meist noch mit Parteichef Jan Stöß abgestimmten – Vorstellungen von einer sozialen Stadt der Zukunft mit der bisherigen Performance des Senats. Ganz im Gegenteil.

Beispiel Mieten. Hier wollen sich die Sozialdemokraten zum Vorkämpfer der gentrifizierungsverängstigten Wählerschaft machen. Doch gerade in ihrer Regierungszeit wurden viele Berliner Wohnungen von den städtischen Gesellschaften verkauft. Nun soll plötzlich neu gebaut werden, nun werden ruckzuck Ferienwohnungen verboten, um mehr Mietraum zu schaffen – nun will man sich selbst überholen, ohne von der eigenen Politik eingeholt zu werden. Bei den Wählern verfängt diese Taktik bisher nicht, obwohl sie das Thema Mieten in Umfragen als derzeit wichtigstes benennen. Die SPD dümpelt in Berlin auf Steinbrück-Niveau. Die CDU liegt mittlerweile vorn. Warum, weiß sie wohl selbst nicht.

Mehr Bewegung in der Stadt, in er Themen gemacht werden

Tue wenig und rede nicht drüber. So anders präsentiert sich der kleinere Koalitionspartner im Senat. Parteichef Frank Henkel agiert als Stellvertreter des Regierenden und als Innensenator bewusst unauffällig und zuweilen unbewusst hilflos. In der von Henkel gemanagten Geschlossenheit und in der eigenen Selbstsicherheit ruht die Partei sich aus. Die auch parteipolitisch ehrgeizigen Senatoren Thomas Heilmann und Mario Czaja halten sich mit wilden Flügelschlägen zurück – und so gleiten die Christdemokraten durch höhere Lüfte. Zu stadtpolitischen Themen wie etwa der bröckelnden Bauruine ICC fällt ihnen nicht viel mehr ein, als alles noch einmal genau zu prüfen. Immerhin gibt es keinen Koalitionskrach mitten im Wahlkampf. Aber sollte Ruhe wirklich oberste Parteipflicht sein?

Die heiße Wahlkampfphase beginnt in Berlin recht lau. Im bürgerlichen Lager sonnt sich die CDU im Lichte Angela Merkels, die FDP ist berlinweit nahezu verschwunden, und die Alternative für Deutschland entpuppt sich offenbar für sehr wenige als Alternative.

Auf der anderen Seite sucht die Linke nach neuen Themen, findet aber keine; die Piraten sind immer noch dabei, sich selbst zu beruhigen – und die Grünen punkten unauffällig mit Biokost für die Bildungsbürger. Mehr Bewegung auch in der Stadt, in der die Wahlkampfthemen für das ganze Land gemacht werden, würde guttun. Sonst geht vielen Nichtwählern kein Licht mehr auf. Nur noch sieben Wochen.

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