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Brandenburg: Menschenhandel: Sechs Männer starben auf der Flucht vor der Polizei

Im Umland in den Tod gerast, 19 Chinesen in Neukölln befreit – Die Region wird zur Drehscheibe für Schleuserbanden

Berlin als Drehscheibe des internationalen Menschenhandels: Zwei Mal hielt die organisierte Kriminalität die Polizei in Atem. Nahe dem Berliner Ring raste in der Nacht zu Mittwoch ein mit acht Personen besetzter BMW auf der Flucht vor der Polizei gegen einen Baum. Sechs Menschen starben, darunter ein Mann aus Tschechien, gegen den die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen „gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern“ ermittelt“. Bei den anderen Toten handelt es sich um Vietnamesen, die offenbar illegal eingereist waren. Zwei Menschen wurden schwer verletzt.

Drei Stunden zuvor hatte die Berliner Polizei drei Wohnungen in Neukölln durchsucht und dort 21 Chinesen festgenommen, darunter zwei Bewacher. Die Polizei hatte Stunden zuvor über einen Rechtsanwalt einen detaillierten Tipp bekommen. Der für Schleusungen zuständige Dezernatsleiter im Landeskriminalamt, Frank Worm, sagte gestern, dass es ein „völlig neues Phänomen“ sei, dass Menschen aus China als Illegale unterwegs seien. Bislang waren es vor allem Vietnamesen. Die Zahl der Fälle sei drastisch gestiegen: von 50 im Jahr 2005 auf 250 in diesem Jahr.

Wie die Chinesen ins Land kamen und wohin sie wollten, ist unklar – illegale Einwanderer verweigern nach der Festnahme in der Regel jede Zusammenarbeit. Die 19 Geschleusten wurden in den Abschiebegewahrsam Grünau gebracht, sie sollen in den kommenden Tagen abgeschoben werden. Die Bewacher wurden dem Haftrichter vorgeführt, sie gelten als niedere Chargen. Da die Polizei Hinweise hatte, dass die Bewacher bewaffnet sind, übernahm das Spezialeinsatzkommando die Durchsuchung an der Britzkestraße.

Wahrscheinlich sei, dass die Chinesen nur auf der Durchreise waren, sagte Worm. Attraktiv für Asiaten seien vor allem England und Frankreich, wo es viel Arbeit für illegale Einwanderer gibt. Zudem würden Schleuser Berlin als Transitstation für Russen in Richtung Spanien, Italien und Portugal nutzen. „Berlin ist nicht mehr attraktiv, hier gibt es zu wenig Arbeit“, hieß es. Die in der Britzkestraße aufgegriffenen 15 Männer und vier Frauen sind „in bestem arbeitsfähigen Alter“, der Jüngste war 21. Eine Schleusung koste 5000 bis zu 25 000 Euro – „das muss erst einmal erarbeitet werden“. Nicht auszuschließen sei, dass die jetzt Aufgegriffenen in einigen Monaten wieder in Berlin sind. Denn für 20 000 Euro aufwärts gibt es „Garantieschleusungen“, die volle Summe ist dann erst fällig, wenn das Zielland erreicht ist. Der Transport erfolgt in der Regel per Flugzeug nach Moskau – von wo aus die Schleusungen auch organisiert werden. Von dort geht es weiter nach Polen oder Tschechien. Dort werden die Menschen in Lkw gepfercht und nach Berlin gebracht – häufig unter Lebensgefahr in Kühllastern oder in Hohlräumen von Sattelschleppern.

Dass in der Nacht zu Mittwoch sechs Menschen auf der Flucht vor der Polizei starben, sei ein Beweis für die Brutalität der Schleuser, hieß es. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bedauerte den Tod. Sie sind „das Opfer einer menschenverachtenden kriminellen Bande, die mit der Not anderer ihre miesen Geschäfte macht“. Das Polizeiauto sei dem flüchtenden BMW „in einigem Abstand gefolgt“, hieß es bei der Polizei, nachdem der Fahrer Aufforderungen zum Anhalten missachtet hatte. Kurz vor der Ortschaft Dannenreich kam der BMW mit weit über 100 km/h in einer Kurve von der Fahrbahn ab und wurde durch den Aufprall in Stücke gerissen. Alle acht Personen saßen im Innenraum, keiner im Kofferraum. Woher sie kamen, ist unklar, Ziel sei vermutlich die Autobahnauffahrt nahe dem Dreieck Spreeau am Berliner Ring gewesen.

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