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Brandenburg: Mit ganzer Härte des Gesetzes

Ein Unternehmer bangt um seine Existenz: Er wurde für ein Vergehen verurteilt, das es nicht mehr gibt

Borkheide - Eigentlich wollte Fred Stoof in diesem Jahr das 140-jährige Jubiläum seiner Firma begehen. Doch die geplante Feier hat der Unternehmer aus Borkheide verschoben, nachdem er jetzt vom Potsdamer Landgericht wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz verurteilt wurde. „Sollte das Urteil jemals rechtskräftig werden, wäre es das Ende des Unternehmens und hätte die Entlassung der 80 Mitarbeiter zur Folge“, sagt Stoof. „Aber ich resigniere nicht, ich kämpfe.“ Sein Anwalt habe Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Es geht um einen Fall, der als ein Musterbeispiel für die Absurdität deutscher Bürokratie gelten kann. Das Landgericht verurteilte Stoof am Montag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und der Zahlung von 1,8 Millionen Euro, weil er 15 kugelsichere, gepanzerte Jeeps der Marke Toyota Landcruiser 2003 in den Irak und Afghanistan geliefert hatte. Käufer war die britische Regierung; die Spezialfirma Stoof ist international anerkannt. Ihre Sicherheitsfahrzeuge fahren für die UN ebenso wie für Hilfsorganisationen in vielen Krisengebieten der Welt.

Das Problem: Stoof hatte die nötige Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn bei Frankfurt am Main nicht eingeholt, die er – was auch die Staatsanwaltschaft nicht bestritt – völlig problemlos bekommen hätte. Mehr noch: Da die Genehmigungspraxis inzwischen geändert würde, stünde das Versäumnis heute nicht einmal mehr unter Strafe. „Es sind auch keine Waffen ausgeführt worden und es wurde nichts geschmuggelt. Alles wurde über den Zoll abgewickelt“, erklärt Stoof. Das ganze sei einfach „kafkaesk“.

Doch das Gericht hat dem Geschäftsmann nicht abgenommen, dass es sich um ein Versehen handelte: Das Urteil geht davon aus, dass Stoof die Genehmigung bewusst nicht einholte – aus Angst, dass das zu lange dauern würde und Konkurrenten aus Polen ihm den lukrativen Auftrag wegschnappen würde. Selbst wenn, heißt es in der Belegschaft, wäre das so schlimm in diesen Zeiten härtester Konkurrenz? Aber das Gesetz sei sehr eng, sagte Staatsanwalt Christoph Lange im Prozess. „Es spielt auch keine Rolle, ob die Waren an das Rote Kreuz oder die Taliban gehen.“ Das Gericht ist der Ansicht, dass die Firma die Strafe von 1,8 Millionen Euro verkraftet. „Der Betrieb ist gesund und floriert“, so die Richterin .

Stoof ist fassungslos über so viel betriebswirtschaftliche Unkenntnis: Die 1,8 Millionen Euro seien nicht der Gewinn, sondern der Umsatz, den er mit den 15 Fahrzeugen gemacht hat – inklusive aller Kosten. Und die sind zwangsläufig hoch: Die Firma kauft herkömmliche Jeeps verschiedener Marken und rüstet sie mit Panzerglas und gepanzertem Fahrwerk aus, so dass die Fahrzeuge selbst Maschinengewehrfeuer oder die Detonation einer Mine überstehen. Eins der Fahrzeuge, die Stoof an zivile britische Regierungsstellen in den Irak exportierte hat, wurde dort von einer Haubitze beschossen: Die Insassen überlebten, die britische Regierung schickte ein Dankschreiben.

Die 1,8 Millionen Euro Strafe sind für Stoof unvorstellbar. „Das entspricht einem Viertel des Jahresumsatzes“, erklärt er – und nennt noch eine Vergleichszahl. 1,8 Millionen Euro hat auch die voriges Jahr eröffnete neue Werkhalle gekostet, „finanziert mit einem Bankkredit.“

Die Politik feierte Stoof bislang als Erfolgsunternehmer. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) fühlte sich bei der Firmeneinweihung „an James Bond“ erinnert, als er die gepanzerten Fahrzeuge da. Seit dem Prozess aber ist Brandenburgs Politik abgetaucht. Stoof: „Man wird gefeiert, wenn es funktioniert. Wenn es Probleme gibt, ist man allein.“

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