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Brandenburg: Mythen und Mutationen

Sandra Dassler

Dass es sinnlos ist, einem Menschen, der panische Angst vor Hunden hat, zu sagen: „Der tut doch nichts“, das weiß fast jeder. Umso verwunderlicher ist die harsche Kritik an Agrarminister Dietmar Woidke (SPD) auf der Landesbauernversammlung am vergangenen Donnerstag. Der schüre Ängste und rede einen Imageschaden herbei, hieß es da. Gemeint war die kritische Haltung des Ministers zum Anbau von sogenanntem Genmais. Tatsächlich hat Woidke in den vergangenen Wochen mehrfach gesagt, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für Brandenburg kontraproduktiv sein könne. Schließlich profiliere sich das Land zunehmend als naturnahes Touristenparadies und als zuverlässiger Erzeuger von Bioprodukten.

Und genau da greift das „Hundesyndrom“. Der Imageschaden ist nämlich nicht nur eine von Woidke befürchtete Option, sondern längst real. So müssen manche Imker bei Abnehmern schon unterschreiben, dass in ihrem Honig keine Genmaispollen sind. Auch Ökobauern werden immer häufiger gefragt, ob sie ihre Produkte in der Nähe von Feldern anbauen, auf denen Genmais steht. Der hochpreisige Ökomarkt ist hart umkämpft, und die Biokost-Konsumenten in Berlin und anderswo sind anspruchsvoll. Dass Genmaispollen im Honig – zumindest nach jetzigem Wissensstand – nichts tut, spielt dabei keine Rolle.

Schon allein deshalb hat der Minister recht. Auch wenn manche Argumente der Genmaisgegner abstrus sind, auch wenn fast alle seriösen Wissenschaftler Stein und Bein schwören, dass der in Deutschland erlaubte Genmais der Sorte Mon 810 unbedenklich ist – die meisten Menschen hierzulande haben trotzdem Bedenken. Sie vergleichen die grüne Gentechnik mit der Büchse der Pandora: Einmal geöffnet, lassen sich die Auswirkungen nicht mehr rückgängig machen, die Folgen nicht mehr kontrollieren.

Dass es so weit gekommen ist, liegt zum einen an der desolaten Informationspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union über die Chancen und Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen. Und was man nicht kennt, das fürchtet man umso mehr. Wo kein sachliches Wissen vermittelt wird, da gedeihen Mythen besonders gut. Vor allem, wenn es, was die Langzeitwirkungen anbelangt, eben tatsächlich keine gesicherten Fakten gibt.

Zum anderen ist das widersprüchliche Verhalten der Politiker selbst nicht gerade vertrauenserweckend. So hat Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) vor zwei Jahren Mon 810 für Deutschland zugelassen. Seine Vorgängerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hatte dies abgelehnt. Zwei Jahre lang hat Seehofer behauptet, es gäbe keine Risiken für die Umwelt. Bis sich kürzlich seine Haltung schlagartig änderte. Obwohl kein einziges neues Gutachten vorliegt, mutierte Seehofer auf einmal zum Skeptiker. Jetzt sieht er „gewisse Risiken“.

Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke erklärt zur selben Zeit, man habe eigentlich von Anfang an Zweifel an der Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen gehabt. Und alle Experten sind sich plötzlich einig, dass das damalige Genehmigungsverfahren der EU für Mon 810 unzureichend war. Da wird auch der sorgloseste Staatsbürger misstrauisch, wenn er demnächst vielleicht wieder gesagt bekommt: „Mon 810? Der tut doch nichts.“

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