zum Hauptinhalt

Brandenburg: Nazi-Anschlag: Die Fahnder verlieren die Hoffnung

Vor drei Jahren explodierte ein Brandsatz an der Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam. Die Täter blieben bislang unbehelligt

Von Frank Jansen

Potsdam. Der Brandsatz war simple, aber ziemlich perfide Bastelarbeit. Zwei mit Benzin gefüllte Tetrapacks und eine Kerze steckten in einem Pappkarton, direkt vor der hölzernen Hintertür der Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam. Irgendwann am Morgen des 8. Januar 2001 ging die Werkelei in Flammen auf. Der Brand zerstörte die linke Hälfte der Doppeltür, Qualmwolken verrußten die ganze Halle und schwärzten die Außenfassade. Der Anblick rief Entsetzen hervor, weit über Brandenburg hinaus. Innenminister Jörg Schönbohm eilte zum Tatort und kündigte „finster entschlossen“ die Verfolgung der Brandstifter an, keine Woche später zog Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen an sich. 10000 Mark Belohnung wurden ausgesetzt. Doch drei Jahre danach ist die Tat noch immer nicht aufgeklärt.

Und mit ihr eine ganze Serie von Verbrechen einer mysteriösen „Nationalen Bewegung“, die auch auf dem jüdischen Friedhof ein wüstes Pamphlet hinterließ. Im Gegensatz zu der sonst hohen Aufklärungsquote bei rechtsextremer Gewaltkriminalität stehen Bundesanwaltschaft und Landeskriminalamt in diesem besonders schwer wiegenden Fall mit leeren Händen da. Die Beamten rückten zu zahllosen Razzien gegen die braune Szene aus, observierten potenzielle Tatverdächtige und schnitten reichlich Telefonate mit. Das Ergebnis fasst die Sprecherin des Generalbundesanwalts, Frauke-Katrin Scheuten, in einem kargen Statement zusammen: „Der Sachstand ist unverändert, die Ermittlungen dauern an.“

In den Brandenburger Sicherheitsbehörden glaubt allerdings kaum jemand an einen Fahndungserfolg. Allerdings nicht, weil die „Nationale Bewegung“ besonders professionell aufgetreten ist. Vielmehr ist der Abstand zur der Straftatenserie inzwischen so groß, dass neue Indizien und Hinweise auf Tatverdächtige fast schon einem Wunder gleichkämen. Denn die obskure Truppe, vielleicht auch nur ein einziger Neonazi, ist seltsamerweise nach einer letzten Drohung am 30. Januar 2001 nie mehr in Erscheinung getreten.

Fast genau ein Jahr hatte sich die „Nationale Bewegung“ ausgetobt: ein Kommunalpolitiker bekam Drohbriefe, Hakenkreuzfahnen wurden an eine Brücke und ein Werbegerüst gehängt, antijüdische Parolen gesprüht, schließlich brannten türkische Imbisse in Kleinmachnow, Trebbin und Stahnsdorf. Und dann stand die Tür der Trauerhalle des Potsdamer jüdischen Friedhofs in Flammen. Die Polizei zählte insgesamt 16 Taten, fast immer bekannte sich die „Nationale Bewegung“ mit einem Brief oder Anruf zur Tat. Warum dann plötzlich nichts mehr kam, kurz nachdem sich Generalbundesanwalt Nehm eingeschaltet hatte, bleibt rätselhaft.

Im März 2001 glaubten die Ermittler, sie seien ganz nah an den Tätern dran. Bei Potsdam wurden die Wohnungen zweier Neonazis durchsucht und größere Mengen Schwarzpulver gefunden. Doch die Indizien reichten nicht aus. War die Szene gewarnt? Im Februar 2001 hatte ein rechtsextremer V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes eine Polizeirazzia an einen Neonazi verraten. Den in Sicherheitskreisen zu hörenden Verdacht, der Verfassungsschutz habe einen Spitzel in der „Nationalen Bewegung“ geführt und torpediere die Ermittlungen, weist das Innenministerium als „groteske Falschbehauptung“ zurück. Und verkündet, „wir werden erst locker lassen, wenn die Täter hinter Schloss und Riegel sitzen“.

Der Potsdamer Rabbiner Nachum Presman glaubt, die Polizei habe alles getan, um die Brandstifter nach dem Anschlag auf den Friedhof zu ermitteln. Dann erwähnt Presman die Angst der eingewanderten Juden: „Wenn sie draußen sind, sprechen sie russisch nur ganz leise. Damit es niemand hört.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false